„Toten Hosen“-Sänger Campino exklusiv im TV-Interview

Trier/Losheim · 13.500 von 15.000 Karten für das vom TV präsentierte Open-Air der Toten Hosen am 29. August (Beginn: 18 Uhr) im Strandbad Losheim sind verkauft. Um einen Vorgeschmack auf Campino & Co. zu geben, traf sich TV-Redakteurin Anita Schack vorab mit dem Frontmann der Düsseldorfer Punk-Rock-Band zum Interview. Das komplette Interview hier auf volksfreund.de

 Campino, Frontmann der Band "Die Toten Hosen".

Campino, Frontmann der Band "Die Toten Hosen".

Foto: Dieter Eikelpoth

(ahs) „Die Toten Hosen“ schreiben seit Jahrzehnten ihre Erfolgsgeschichte – doch von Star-Gehabe keine Spur. Bodenständig und nachdenklich zeigte sich Sänger Campino im Gespräch mit dem TV.

TV: Das ist ja dieses Jahr eine Mammut-Tour für Euch: Erst Südamerika, dann Osteuropa, jetzt Deutschland. Macht's noch Spaß?

Campino: Unbedingt. Sonst würden wir es ja nicht machen. Das nimmt man uns hoffentlich ab, das wir das nicht mehr fürs Geld machen müssen. (lacht) Die Frage ist vielleicht berechtigt, weil wir das jetzt seit fast 30 Jahren durchziehen. Aber das ist gleichzeitig auch wieder die Antwort: Man würde es nicht durchhalten, wenn man das, was man macht, nicht auch lieben würde. Die Leute nehmen die neuen Sachen super an. Das macht uns unheimlich froh. Ich weiß nicht, wie es mir gehen würde, wenn alle nur geduldig warten würden, bis „Hier kommt Alex“ kommt.

Auf dem Musikmarkt von heute lädt man Lieder im Internet herunter und kann Konzertmitschnitte auf USB-Stick kaufen – auch bei euch. Ist das vielleicht ein Erfolgs-Geheimnis, dass Ihr euch dem Markt anpasst?

Campino: Wir passen uns nicht an den Markt an. Wir passen uns an das Leben an. Das Internet ist nicht der Markt. Das Internet ist für uns zurzeit das Gegenteil vom Markt. Durch das Downloaden ist so ein Schaden entstanden, indem jetzt kaum noch CDs gekauft werden. Das mit den USB-Sticks ist eine nette Geste. Ich finde das auch super als Fan, wenn ich auf ein Konzert gehe, dass ich mir da meinen Abend mitnehmen kann, mein persönlich erlebtes Konzert.

Ihr könnt damit einigermaßen umgehen. Aber wie ist das bei weniger etablierten Bands?

Campino: Bei den jungen, frischen Bands, geht es jetzt ans Eingemachte, weil die Leute sich die CDs nicht mehr kaufen. Das tut mir leid. Ich sitze im selben Boot. Auch uns berührt das natürlich empfindlich, dass der Markt um zwei Drittel eingebrochen ist durch die Downloads. Das ist statistisch erwiesen.

Man hört, dass Ihr so unheimlich nett zu Euren Vorbands seid. Ist das Eure Art, andere Bands, die noch nicht so bekannt sind, zu unterstützen?

Campino: Ich empfinde das einfach als Zeichen des Respekts. Das würde bei mir auch nicht infrage kommen, eine Band, die vor uns spielt, nicht zu bezahlen. Und sei die Gage noch so gering. Wir sind selber oft genug Vorband gewesen und wissen, was es heißt, scheiße behandelt zu werden. <

„Schlecht behandelt“ wurdet ihr von Opel wegen des Lieds „Opel-Gang“ aus dem Jahr 1983. Dieses Jahr hat euch der Konzern um Unterstützung gebeten. Wie fühlt man sich da?

Campino: Als wir „Opel-Gang“ geschrieben hatten, ging es um eine Lebenseinstellung von einer gewissen Clique von Leuten, über die wir uns zunächst lustig gemacht haben. Das war ein sehr ironisches Lied. Das hat sich dann aber verselbstständigt und wir haben uns selber in diesen aufgemotzten Wagen verliebt. Das war dann auch bei uns Kult. Natürlich war das der Firma Opel unangenehm, dass ein paar Asoziale wie wir so stolz auf diese Marke waren. Die waren gerade dabei, die Marke als Familienwagen zu installieren. Diese Vorgeschichte hat aber gar nichts damit zu tun, wenn jetzt ein multinationaler Konzern auf uns zukommt, der durch irgendwelche schweren Managementfehler in die Krise geraten ist und dann von uns eine Solidarität einfordert auf so eine komische, moralische Schiene, die nicht gegeben ist. Ich finde nicht, dass ich emotional näher daran stehe, wenn bei Opel jemand entlassen wird, als wenn beim Supermarkt um die Ecke jemand entlassen wird. Das ist dieselbe Tragödie. Ich muss da irgendwo Prioritäten setzen. Und die sind eben nicht bei Opel.

Wie setzt Ihr denn eure Prioritäten?

Campino: Erstmal muss das für uns politisch einwandfrei sein. Ich würde zum Beispiel Castor-Gegner oder Hilfsorganisationen unterstützen. Da geht es darum, die Welt etwas besser zu machen. Aber es kann doch nicht unser Job sein, eine Automarke am laufen zu halten! Wir sind ein völlig subjektiver Haufen. Wir haben unseren eigenen Moral- und Ehrenkodex.

Den vertretet Ihr auch gerne öffentlich und mischt Euch ein bei Politik- und Wirtschaftsthemen. Wie schätzen Sie denn das Konjunkturpaket ein?

Campino: Das ist eine sehr komplexe Angelegenheit. Ich habe da auch keine Lösung. Ich weiß lediglich, dass ich unsere Regierung für diese Dinge, die im Moment laufen, nicht schuldig sprechen kann. Uns muss aber klar sein, dass es anderswo Leute gibt, die jeden Tag ums pure Überleben kämpfen. Und diese Menschen brauchen uns weiterhin. Wir Deutschen können nicht sagen: Unser Zweitwagen ist in Gefahr, deshalb haben wir jetzt kein Geld mehr für Hilfsprojekte. Das wäre ein fataler Fehler.

Was erhoffen Sie sich denn in dieser Situation von der Bundestagswahl?

Campino: Am liebsten wäre mir, wenn dieses Mal gar nicht gewählt würde. Denn das, was auf uns zukommt, wird nicht besser werden, als das, was ist. Es darf doch nicht sein, dass ein Schmalspur-Philosoph und Oberflächen-Schwimmer wie Guido Westerwelle ernsthaft über unsere Geschicke mit entscheidet.

Aber es gibt ja auch noch andere Alternativen.

Campino: Aber das ist das, was auf uns zukommt. Wer ist hier noch in diesem Land, der nicht weiß, dass die FDP zusammen mit der CDU gewinnen wird? Es wird so kommen. Das ist eine Tragödie. Wirklich. Die derzeitige FDP ist überflüssig wie die Deutsche Mark.

Neben der Musik hatten Sie auch schon Erfolg als Schauspieler, zuletzt in Wim Wenders „Palermo Shooting“.

Campino: Es geht mir da aber nicht um Erfolg. Ich freue mich natürlich, wenn ich keine Fehlbesetzung war für irgendein Projekt. Ich würde halt immer gerne das Vertrauen der Leute, die mich engagieren durch Leistung zurückgeben.

Bis jetzt hat das ja dann funktioniert. Motiviert Sie das, weiter zu machen?

Campino: Ich würde mir natürlich, wenn eine tolle Sache ansteht, immer überlegen, ob ich mit an Bord bin. Aber in keinem Moment – weder am Theater noch im Film – habe ich je diesen Zustand erreicht, den ich mit der Band habe. Beim Konzert muss ich mir nicht überlegen: Wie gehe ich jetzt von hier nach da drüben? Da habe ich das Gefühl, einfach zu sein. Ich weiß, dass ich zu Hause bin in der Band. Alles andere können nur Ausflüge in Nachbars Garten sein.

Was kommt denn nach der Tour?

Campino: Im Moment weiß ich das noch nicht. Die Tour dauert ja bis Ende des Jahres. Da ist es ganz gut zu glauben, man hätte danach mal ein paar Monate frei. Ich dränge das Büro jetzt nicht nach Daten, was dann wieder los sein könnte für mich. Da kommt schon was. Es war die letzten 25 Jahre so. Und das wird 2010 auch nicht abreißen.

Karten für das vom TV präsentierte Konzert am 29. August in Losheim gibt es in den TV-Service-Centern Trier, Bitburg und Wittlich, unter der Hotline 0651/7199-996 sowie unter www.volksfreund.de/tickets.

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