Trauriges Geburtstagsfest

Trier · Eigentlich wollte der Trierer Konzertchor am 16. März in die unbeschwerten Feierlichkeiten zu seinem 50. Geburtstag starten. Drei große Konzerte innerhalb eines guten Jahres, drei Herausforderungen für den Chor und seinen Chef Manfred May. Doch Manfred May lebt nicht mehr, es muss ohne den Gründer weitergehen. Es wird eine traurige Geburtstagsfeier.

Trier. Auf dem Werbe-Faltblatt für das Oratorium "Elias" wird Manfred May noch als Leiter angekündigt - das macht deutlich, wie schnell und überraschend der Konzertchor vom Tod seines Dirigenten und Motors getroffen wurde. Einen Elias mit seinem alten Freund Franz Grundheber hatte sich May zum Auftakt seines Abschieds gewünscht - das dritte Mal, dass man dieses Mendelssohn-Meisterwerk gemeinsam angehen wollte.
Dass er sich im kommenden Jahr nach den drei Jubiläums-Konzerten in den Ruhestand zurückziehen wollte, hatte May immer wieder durchblicken lassen. Und mit Jochen Schaaf hatte er frühzeitig einen Dirigenten als Korrepetitor an den Chor gebunden, dem er zutraute, seine Nachfolge anzutreten.
Charismatischer Dirigent


Die Umbrüche, die ohnehin angestanden hätten, kommen nun schneller und härter auf den großen Traditions-Chor zu. "Wir sind auf der Suche", sagt Richard Krings, langjähriger Weggefährte von Manfred May und früherer Vorsitzender des Vereins, zu dem sich die rund 80 Sänger zusammengeschlossen haben. Das Profil und die Organisation waren stark an die Person May angebunden, der charismatische Dirigent besaß auch das Talent, Menschen langfristig zu binden.
Nun wird man neue Wege finden müssen - und neue Mitstreiter. Der Generationswechsel, den andere Trierer Chöre schon vollzogen haben, ist auch beim Konzertchor unerlässlich, wenn die Zukunft dauerhaft gesichert werden soll. Auch die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen braucht neue Impulse.
Für die Zukunft des Konzertchors spielt aber auch eine Rolle, wie sich das Repertoire entwickelt. "Da wird Jochen Schaaf sicher eigene Akzente setzen", sagt Richard Krings voraus.
Schaaf, einst Kapellmeister beim Trierer Theater, ist Professor am Konservatorium Esch/Alzette, gastiert als Pianist und Dirigent und engagiert sich beim Richard-Wagner-Verband. Er wird zunächst einmal alle drei ausstehenden Groß-Projekte ("Elias" am 16. März; "Sinai" von Georg Schmitt am 7. September und die "Johannes-Passion" am 22. März 2015) betreuen. In den vergangenen Jahren hatte er den Konzertchor bereits bei "Parsifal" und der "Matthäus-Passion" geleitet.
Felix Mendelssohn Bartholdy: Elias, mit Franz Grundheber, Adréana Kraschewski, Eva Maria Günschmann, Clemens Bieber. Deutsche Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz. Leitung: Jochen Schaaf. Karten im TV-Servicecenter Trier, 0651/7199-996 und www.volksfreund.de/tickets.Extra

Jochen Schaaf studierte an der Musikhochschule Köln Dirigieren bei Günter Fork, Klavier bei Günter Ludwig und Gesang bei Kurt Moll sowie an der Bayerischen Staatsoper in München unter anderem bei Wolfgang Sawallisch. Daneben arbeitete er mit Carlos Kleiber in Wien und mit Fabio Luisi in Düsseldorf. Sein erstes Engagement führte ihn als Solokorrepetitor und Dirigent 1995 an die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf, wo er mit "Hänsel und Gretel" debütierte. Von 1998 bis 2002 war er Chefdirigent der Düsseldorfer Operette. Während seiner Engagements als Kapellmeister in Halle/ Saale und Trier (1996-2002) dirigierte er ein breites Repertoire aus Oper, Operette, Ballett und Sinfonik. Als Pianist konzertiert er regelmäßig bei Liederabenden und Kammermusikrecitals. Seit 2002 unterrichtet er auch Dirigieren in Esch-sur-Alzette. redExtra

Die erste Probe des Konzertchors, der damals noch "Kammerchor Trier" hieß, fand im Mai 1964 statt. Bis zum Dezember hatten die 28 Sänger unter Leitung von Gründer Manfred May das Programm für ihr erstes Konzert in St. Paulin zusammen. Ende der 60er Jahre wuchs der Chor über Kammer-Verhältnisse hinaus, am 23. März 1969 gab es die erste große Johannes-Passion im Treveris-Saal - unter den Solisten unter anderem Bayreuth-Star Siegmund Nimsgern. 1974 gastierte bei Händels "Messias" im AMG erstmals Franz Grundheber - mehr als 20 Konzerte mit ihm folgten. 1984 erweckte der Chor mit Beethovens Neunter das Amphitheater aus dem kulturellen Dornröschenschlaf. In den 80er Jahren etablierten sich Gastspielreisen in ganz Europa - der Kammerchor, inzwischen mehr als 80 Köpfe stark, reiste nach Brüssel, Wien, Budapest, Mailand, Prag, Moskau. Um Irritationen wegen des Namens zu vermeiden, benannte man sich 1992 in Konzertchor um - was dem Repertoire eher entspricht. 1993 eroberte man im Zusammenwirken mit den Mosel-Musikfestwochen den Innenhof des Kurfürstlichen Palais als Open-Air-Konzertsaal. 1995 gab es eine sensationelle "Carmina Burana" im Amphitheater. 2000 wagte man sich mit Glucks "Orpheus" erstmals an eine komplette szenische Opernproduktion. Drei vom Konzertchor produzierte CDs liegen vor: Bachs Johannes-Passion, das "Deutsche Requiem" von Brahms und, besonders verdienstvoll, "Geistliche Musik am Kurtrierer Hof", eine Doppel-CD mit Ausgrabungen von Werken Trierer Komponisten. DiL

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