Jazz Vom Keller in die Cocktailbar

Trier · Alle Jahre wieder: Jazz im Brunnenhof endet mit dem Auftritt regionaler Künstler.

 (TV-Foto: Dirk Tenbrock)

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Foto: Dirk Tenbrock

Petrus muss ein Jazzfan sein. Wie anders ist es zu erklären, dass er just bis zum Ende des letzten Jazz-im-Brunnenhof-Abends wartet, ehe er die ersten Regentropfen über seine Stadt niedergehen lässt? Und den Zuhörern sowie den Musikern einen späten, fast lauen Sommerabend gewährt mit – der Kulisse sei Dank – einer Menge Italien-Feeling obendrein? Doch der Reihe nach: Ein sichtlich stolzer wie glücklicher Nils Thoma zieht zu Beginn des Abends eine trotz Corona-Einschränkungen erfolgreiche Bilanz der vergangenen Wochen. Jedes der Konzerte war ausverkauft – mehr als ausverkauft, denn vielen Interessenten musste ein Ticket verwehrt werden, da nur 150 zugelassen waren. Aber sein Dank galt nicht nur den Künstlern und dem Publikum, sondern auch der ttm, ohne deren Chef Norbert Käthler und dessen einsatzfreudige Kolleg(inn)en die Reihe nicht in diesem Rahmen hätte realisiert werden können. Bei der, wie alljährlich, regionale Künstler einen markanten Schlusspunkt ans Festival-Ende setzen.

Eigentlich sollte die Bigband „Gallery of Jazz“ an diesem Abend den Auftakt machen, doch 20 Musiker auf zwei Meter Pflichtabstand zu halten, erklärte Thoma, hätte eine mindestens zwei Mal so große Bühne verlangt. Daher kam die deutlich kleinere Bach-Band zum Zuge, deren fünf Mitstreiter ihren Zuhörern nur sparsam Eingängiges, dafür viel Anspruchsvolles boten. Es begann, ganz harmlos, mit einem entspannt-lässigen, geradezu kontemplativen Spaziergang auf (und über) den Klaviertasten, bis Ralph Bach zielstrebig in die „Green Dolphin Street“ einbog, wo das Schlendern in swingendes Jogging überging. Das war an diesem Abend dann auch der einzige Jazzklassiker im Programm, das Bach, der sich mimisch wie bewegungsmäßig als stoischer Akkordarbeiter am Piano gab, mit trockenem Humor und hier und da ein wenig Ironie moderierte. Was Christoph Traxel, der erst vor ein paar Monaten am Schlagzeug Platz genommen hat, und der Bassist Stefan Zawar-Schlegel als verlässliche Rhythmusgeber und die großartig aufeinander eingespielten und traumsicher miteinander kommunizierenden Frontmen Helmut „Daisy“ Becker (Trompete und Kornett) und Stefan Reinholz (Saxophon) anschließend boten, waren (Eigen-)Kompositionen unterschiedlicher Stile von Hardbop bis (fast) Free („Ouagadougou“, „Heart Shaped Box“) mit einem Abstecher nach Kuba („Son“). Einer der Höhepunkte ihres Sets war „Sailing“, aber nicht die Schmusenummer von Rod Stewart, sondern die gleichnamige Bootstour unter Orkanbedingungen des Niederländers Dick de Graaf.

Kompletter Stimmungswechsel nach der Pause: Hatte die Bach-Band den Geist von zigarettenrauchgeschwängerten Existenzialisten-Jazzkellern der 50er, 60er und 70er Jahre beschworen, führte die Woog-Band in die cocktailklimpernde Atmosphäre einer eleganten Hotelbar. Nadine Woog begeisterte die Zuhörer mit einer musikalischen Zeitreise von den 1920ern bis in die Gegenwart, peppt Cole Porters „You do something to me“ von 1929 und Sholom Secundas einzigem Hit aus einem 1930er Musical, „Bei mir bist du schön“ zu rasanten Swingnummern auf, lässt bei „Sway“ die Füße der Zuhörer mitwippen („Tanzen leider verboten!“), über Gloria Gaynors „I will survive“ bis – mit Meghan Trainors „All about that Bass“ – fast in die Gegenwart. Umgeben ist die Sängerin mit der fulminanten Blues- und  und Balladenstimme von Thomas Bracht (Piano), Edgar Weidert (Bass), HaPe Dregger (Schlagzeug) und  Michael Kempf (Flöte und Saxophone), deren überbordende Spielfreude sich regelrecht infektiös auf das Publikum auswirkt. Es bejubelt  jeden Song, wobei der Beifall von 300 Händen im großen Viereck des Brunnenhofs naturgemäß dünner klingt, als er gemeint ist. Mitunter tun die Musiker, denen der Abend sichtlich Spaß macht, zu viel des Guten, so dass Woogs Stimme von den Instrumenten in den Hintergrund gerückt wird. Was der Begeisterung aber nicht wirklich Abbruch tut, zumal Nadine Woog ihre Swingnummern nicht nur stimmlich, sondern auch körperlich mit vollem Einsatz gestaltet.

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