"Trier, ich will in dein Herz"

Trier · Tim Bendzko lockt am Samstagabend 5000 Zuschauer in die ausverkaufte Arena Trier. Die erfuhren mehr über Radio-Hits, Wäsche-Probleme, und auch der Sänger wurde überrascht.

 Ist positiv überrascht von Triers Gegenliebe: Tim Bendzko. TV-Foto: Nicolaj Meyer

Ist positiv überrascht von Triers Gegenliebe: Tim Bendzko. TV-Foto: Nicolaj Meyer

Foto: (g_kultur

Trier Vorhang auf und Bühne frei - ist sonst eine beliebte Theaterfloskel. Zu Beginn des ersten Songs bleiben Bendzko und Band tatsächlich hinter dem Schleier. Wo das Auge ungeduldig blinzelt, hören die Ohren wachsam zu, fokussiert auf die Worte "Ich hab noch nicht aufgehört zu träumen" und eine langsam anschwellende Instrumentierung. Euphorische Schreie junger Damen kündigen es an: Elf Musiker, darunter ein Streicher-Trio, füllen das Podest in der Arena Trier aus. Im Zentrum lächelt der der nun enthüllte Weltretter in die Menge. Auch Song drei "Unter die Haut" geht den fast 5000 Zuschauern scheinbar genau dahin. Fast zwei Stunden balladiger Deutsch-Pop erwartet sie. Musikalisch herausgestochen haben am Samstagabend vor allem Bendzkos Hits, die sich von den Radio-Versionen abheben.
Er präsentiert sich genauso, wie der Tour-Name es suggeriert, Bendzko ist "Immer noch Mensch". Das möchte man ihm glauben, wenn er berichtet, wie seine frisch gekaufte schwarze Jeans nach dem Trocknergang weiß wurde, und er sie danach zusätzlich zu heiß gewaschen hat. "Daraufhin habe ich mir lieber mal 19 Stück gekauft - pro Tourkonzert eine." Mit der Textilanekdote leitet er den weiteren Schmachtsong "Am seidenen Faden" ein. Ein Blick über die Schulter offenbart moderne Romantik: Wie Glühwürmchen strahlen die Smartphones, von den Sitzrängen auf der Empore bis zu den Stehplätzen. Die eingängigen Lieder laden zum Mitsingen ein, bleiben aber lyrisch abstrakt. Man erfährt selten Genaues, mehr Musik für das Herz als den Kopf. Nie politisch, selten gesellschaftskritisch, dafür treffsicher beim alltäglichen Ich. Zur Mitte des Sets die musikalische Wendung. Die Band überträgt einen neuen Groove auf das Publikum. Der verantwortliche Song heißt "Beste Version", hier gibt es erstmals ein Gitarrensolo - wenn auch vorsichtig, denn nach wenigen Takten wieder abgelöst durch Bendzkos Stimme. Sie steht im Zentrum der gefühlvollen Popmusik, wandelt wohl mit der zehnköpfigen Band auf einem gewaltigen Klanggerüst - Nur warum den stets exzellenten Musikern nicht mehr Raum geben und sich aus dem Radio-Korsett heraus wagen?
Bendzko kokettiert, in dem er erklärt, "wie einfach man einen Radio-Hit schreibt. Man braucht nur drei Akkorde, und Streicher helfen immer". Ganz so leicht ist es nicht. Nicht ohne Grund hat er sich wohl nach seinem Erfolgsalbum von 2013 drei Jahre Zeit gelassen haben bis zur Veröffentlichung seines Albums "Immer noch Mensch" im Oktober 2016.
"Trier, ich will in dein Herz", schmettert der gebürtige Berliner raus. Der ist positiv überrascht von der Gegenliebe der Römerstadt: "Mir hatte man noch am Tag zuvor mitgeteilt, ich stehe womöglich vor einem halbgefüllten Saal."
Wie eine Eisenbahn nimmt der 32-Jährige Fahrt auf. "Nur noch kurz die Welt retten", erfrischt nach zahlreichen Balladen durch pulsierende Orgelstimmen, getunkt in kerbige Basslinien. Bendzko entdeckt die Breite der Bühne für sich, läuft, interagiert mit der Band, springt im Takt - und schenkt allen damit etwas Leichtigkeit.
Das musikalische Korsett ist gegen Ende deutlich gelockert. Nicht nur die zwei Backgroundsänger werden belohnt, indem die meisten der 5000 Zuschauer sie als Chor unterstützen.
In der vierten und letzten Zugabe erfüllt Bendzko mit dem verbliebenen Radio-Hit "Wenn Worte meine Sprache wären" einen bis dahin unerfüllten Wunsch. Dem lang anhaltenden Applaus nach, ist Bendzko der Platz im Herzen der 5000 Anwesenden sicher.

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