Trier jubelt für "Santa Evita"

TRIER. Neben zaubernden Katzen und Masken tragenden Meistersängern in Opern-Katakomben hatte Andrew Lloyd Webber beim Komponieren eines Musicals einmal auch einen richtigen Menschen im Kopf. Eva Péron alias Evita wurde auch auf dem Trierer Domfreihof zum Erlebnis – dank einer unglaublichen Anna-Maria Kaufmann.

Jedes erfolgreiche Musical hat zumindest einen Kult-Song, den jeder kennt und der das Stück ebenso trägt wie die jeweiligen Protagonisten. Cats hat "Memories", Starlight Express hat "Starlight Express". Und Evita hat "Don't cry for me, Argentina". Der Song ist das Stück. Um beides auf dem Trierer Domfreihof zu erleben, nahm das Publikum auch lange Wartezeiten am Eingang und an der Abendkasse in Kauf. Alles war vergessen, als Anna-Maria Kaufmann die Bühne betrat. Sie wäre ohne jeden Zweifel auch eine noch längere Warteschlange wert gewesen. Nun ist der Domfreihof kein Theatersaal. Die Fähigkeiten des Ensembles und Orchesters traten unfreiwillig in Konkurrenz zum Lärm vom nahen Hauptmarkt. Die sehr kleine Bühne und die gewöhnungsbedürftige akustische Mischung - die Sänger hatten es manchmal schwer, das Orchester zu übertönen - stellten ebenfalls die Fähigkeit des Publikums auf die Probe, die Pluspunkte der Aufführung zu erkennen. Doch zum einen waren diese Pluspunkte reichlich vorhanden, zum anderen zeigten die Zuschauer mit minutenlangem Applaus am Ende, dass sie sich von solchen Kleinigkeiten nicht haben ablenken lassen. Die Handlung begann in Evitas Heimatort. Damals hieß sie noch Maria Eva Duarte, und ihr Ticket in die Landeshauptstadt Buenos Aires ("Jetzt komm ich!") war der Barsänger Augustin Magaldi - gewissermaßen ein argentinischer Roland Kaiser. Trotz der kleinen Bühne schaffte das Stück den Wechsel zwischen der Party-Atmosphäre dieser Szene und dem wesentlich komplexeren Umfeld in Buenos Aires. Dort lernte Frau Duarte Juan Domingo Péron kennen, heiratete diesen, wurde aufgrund ihres Kampfes für die Armen und die Rechte der Frau zur vom Volk verehrten "Santa Evita" und starb sehr jung an Krebs. Das Musical "Evita" konnte natürlich jede Station dieser Entwicklung nur anreißen, aber der rote Faden riss nie ab. Dafür sorgte auch die Figur des Ché Guevara. Der legendäre Revolutionär lenkte die Aufmerksamkeit des Publikums immer wieder auf die historischen Hintergründe und Widersprüchlichkeiten des Aufstiegs des Ehepaares Perón. Mit Gänsehaut verursachender Herzlichkeit

Der Zuschauer blieb durch diesen Kniff immer am Ball und litt bis zum Schluss mit. Und leiden musste er. Dafür sorgten Stimme und Bühnenpräsenz der Protagonistin. Als sie schließlich "Don't cry for me, Argentina" mit einer Gänsehaut verursachenden Herzlichkeit sang, verstummte sogar der Lärm vom Hauptmarkt. Ganz Trier hörte ergriffen zu und jubelte für "Santa Evita".

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