Trier schöpft Potenzial nicht aus

Der frühere Saarbrücker Intendant Kurt Josef Schildknecht (TV-Foto: Dieter Lintz) inszeniert zurzeit die Oper "Samson und Dalila" bei den Antikenfestspielen. Als langjähriger Mitarbeiter bei großen Open-Air-Festspielen wie Bregenz und Bad Hersfeld hat der TV ihn im Vorfeld unseres heutigen Forums nach seiner Analyse der Situation in Trier gefragt.

Ihre Erfahrungen mit Festivals erlauben Ihnen ja einen ganz guten Vergleich. Wie steht denn Trier im Verhältnis zu Bad Hersfeld oder Bregenz da?Schildknecht: Ich will das gar nicht vergleichen. Aber ich habe den Eindruck, dass man in Trier nicht weiß, was für einen Schatz man mit diesem großartigen Amphitheater hat. Da steckt ein unglaubliches Potenzial drin, es müsste nur genutzt werden.Wie hat man es denn etwa in Bregenz geschafft, das Potenzial optimal auszuschöpfen?Schildknecht: Das war am Anfang auch ziemlich mühsam. Aber da haben ein paar Leute gewusst, dass man investieren muss. Dass man Chancen erkennen und sein Angebot immer weiter entwickeln muss. Hier scheint es so, als stünden manche der Verantwortlichen den Festspielen nach dem Motto gegenüber: Jetzt sind sie halt mal da, dann lassen wir sie eben laufen.Liegt das Problem im Theater?Schildknecht: Nein. Es ist enorm, was das Haus leistet. Aber man darf das Theater nicht alleine lassen. Die Leute können nicht mehr, die arbeiten schon 24 Stunden. Da muss zusätzliches Personal her, damit die Bühne im Amphitheater bei Probenbeginn steht. Oder wenigstens für die ersten zwei Wochen eine große Probebühne. Die Probenbedingungen sind indiskutabel.Wie muss man sich das praktisch vorstellen?Schildknecht: Den ganzen Tag über wird gebaut, und zwischendurch wandern Besuchergruppen mitten durch die Proben. Kürzlich hatten wir eine Liebesszene mit Samson und Dalila und dann standen vierzig Kinder mittendrin. Das geht nicht, und das kann man anders organisieren.Wie sieht es mit dem Marketing für die Antikenfestspiele aus?Schildknecht: Marketing ist immer wichtig, aber wichtiger ist das Produkt. Festspiele heißen Festspiele, weil das Publikum erwarten darf, dass die Qualität über den Alltag hinausgeht. Dazu gehören hochkarätige Künstler, und die gibt es hier. Aber für Qualität braucht man eben auch gute Probenbedingungen.Und das inhaltliche Konzept? Müssen sich die Festspiele ausschließlich auf antike Themen konzentrieren?Schildknecht: Notwendig ist eine langfristige, für das Publikum klare und verlässliche Linie. In Trier sollte man an einem Bezug zu antiken Stoffen festhalten. Aber das heißt nicht, dass es nur antike Stücke geben kann. Auch der "Ring" ist ein antiker Stoff, oder viele Verdi-Opern. Wenn das Theater aus Ihrer Sicht solche Festspiele nicht alleine stemmen kann, welches Modell kommt denn aus Ihrer Erfahrung heraus sonst infrage?Schildknecht: Es müsste einen eigenständigen Träger geben, zum Beispiel eine GmbH, an der sich die gesellschaftlichen Gruppen beteiligen, Politik, Wirtschaft, Gastronomie. Das erleichtert auch Sponsoren den Einstieg. Diese GmbH müsste die Rahmenbedingungen stellen. Innerhalb dieses Rahmens könnte dann der Intendant des Theaters als künstlerischer Leiter agieren.Welche Perspektive sehen Sie für die Antikenfestspiele? Der neue OB hat im Wahlkampf gesagt: richtig oder gar nicht.Schildknecht: Das ist eine kluge Devise. Die Probleme, die es gibt, sind lösbar. Aber man muss auch so konsequent sein und die Festspiele richtig organisieren und vernünftig in sie investieren.Mit Josef Schildknecht sprach TV-Redakteur Dieter Lintz. Den Regisseur Kurt Josef Schildknecht und seine Gedanken zu "Samson" stellen wir im Laufe der Woche vor. Das TV-Forum zur Zukunft der Antikenfestspiele beginnt heute abend um 20 Uhr in den Kaiserthermen.

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