Trierer Buchblogger im Interview: "Instagram - ein Glücksgriff für mich"

Trier · Trierer Buchblogger erreicht mit persönlichen Literaturtipps Junge und Alte - und auch den deutschen Börsenverein.

Trierer Buchblogger im Interview: "Instagram - ein Glücksgriff für mich"
Foto: (g_kultur

Trier (aheu) Er liebt Bücher, er verschlingt sie, und als leidenschaftlicher Buchhändler verkauft er sie auch. Florian Valerius (35) hat vor gut einem Jahr einen weiteren Weg gefunden, Literatur ins Gespräch zu bringen: Er bloggt, und das auf Instagram, wo die Nutzer Fotos und Videos teilen. Für seinen Account ist er kürzlich auf der Frankfurter Buchmesse mit dem Buchblog-Award des Börsenvereins und NetGalley ausgezeichnet worden. Im Gespräch mit TV-Redakteurin Anne Heucher erzählt der Trierer, wie er aus dicken Büchern pointierte Tipps destilliert, was er bei seinen Lesern bewegt und warum Feuilletonisten mal von ihrem hohen Ross steigen sollten.

Wie sind Sie zum Buchbloggen gekommen?
Florian Valerius In der Fachbranche wird schon seit langer Zeit immer wieder über die Blogger berichtet, darüber, was sie für die Literatur und deren Vermittlung tun. Und ich habe irgendwann gemerkt, dass ich auch gerne meine Leidenschaft und Lust am Lesen und an den Büchern verschriftlichen würde. Ich habe ein paar Testläufe gestartet, auch mal für ein Online-Magazin ein paar Rezensionen geschrieben, die waren aber sehr ausführlich, und es ging einfach zu viel Zeit drauf. Aber es hat mich innerlich unglaublich gejuckt, mich noch auf eine andere Weise mitzuteilen als im Laden, wo nie die Zeit ist, sich mit dem Kunden so intensiv über ein Buch auseinanderzusetzen.

Wieso bloggen Sie auf Instagram?
Valerius Vor einem Jahr habe ich aus Langeweile dieses Instagram installiert, da kam ich gerade aus Tokio und war noch auf der visuellen Ebene so beschäftigt, weil ich da so viele Eindrücke und Fotos hatte und dachte, dass ganz viele Leute sowas jetzt auf Instagram verarbeiten würden. Daraufhin habe ich mir die App runtergeladen, habe mein Bücherregal fotografiert und als erstes Bild ein sogenanntes #bookshelfie gepostet. Sofort gab es erste Reaktionen und Follower. Nach und nach habe ich dann angefangen, Bücher und mich mit Büchern zu posten und darüber zu schreiben.

Blogs sind ja recht kurz. Ist das aber nicht auch die Crux, dass man hochwertige Bücher von 800 Seiten und mehr dann in zehn Sätzen besprechen soll? Ist das angemessen?
Valerius Für mich macht das gerade den Spaß aus. Du hast ja bei Instagram zuerst ein Bild, du musst die Leute erst mal optisch fangen mit deinem Bild, damit sie überhaupt hängenbleiben, um deinen Text zu lesen. Also mache ich mir beim Lesen schon Gedanken, wie ich das Buch in Szene setzen könnte, ob es da irgendeinen Aufhänger gibt. Und dann macht genau die Länge, die Instagram mir bietet, den Spaß aus. Das kann ich auch mit meiner Arbeit im Laden verbinden, wo ich ja auch keine Stunde Zeit habe, um den Kunden ein Buch vorzustellen. Ich bin auch schon oft angesprochen worden, ob ich nicht mal 'nen richtigen Blog starten möchte, aber Instagram ist einfach mein Medium. Das war so ein Glücksgriff für mich, das zu finden. Das Setting ist für mich perfekt.

Kann man da auch sehr anspruchsvollen Büchern gerecht werden?
Valerius Ich finde schon. Ich schaffe es ganz gut, in dieser Kürze die wichtigsten Schlaglichter herauszustellen. Weil man auch oft Diskussionen anstößt. So zum Beispiel bei Colson Whiteheads "Underground Railroad" (Pulitzer-Preis 2017), einem Buch, bei dem ich selber hin- und hergerissen war. Ich benenne die Dinge, die mich stören und frage dann die Community: Wie seht ihr das? Darauf folgen dann immer viele Kommentare, es entstehen interessante Dialoge - und ich bekomme so auch noch mal andere Blickwinkel auf diese Bücher. Spannend!
Welche Leute gehören zu Ihrer Community?

Valerius Meine Community ist wirklich bunt gemischt, anfangs waren es viele Buchhändler, die mir gefolgt sind, viele Leute aus der Buchszene, Verlage, dann kamen die Vielleser, mittlerweile auch Leute, die eigentlich gar nicht lesen und mir schreiben, dass sie, seit sie mir folgen, wieder Lust dazu hätten. Wenn Leute durch meinen Account wieder zum Lesen gebracht werden, ist das doch das schönste Kompliment!

Sind das überwiegend junge Leute?
Valerius Nein. Frauen wie Männer, - zwischen 16 und 70 ist da alles vertreten.

Literaturkritiker äußern sich ja eher abschätzig über die Buchblogs. Warum?
Valerius Weil sie sich meiner Meinung nach noch nicht richtig mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Die sehen erst mal das Standardklischee-Bild, nämlich 'ne junge blonde Frau, die entweder bei Youtube oder in ihrem Blog rosa angezogen Fantasy-Bücher vorstellt - die gibt's natürlich, aber auch da gibt's viele tolle. Ich finde wichtig, dass da Leute sind, die Spaß an Literatur haben, welches Genre auch immer. Den Kritikern ist aber auch nicht bewusst, wie viele andere Blogger es gibt, die hochwertige Literatur besprechen, wie der "Kaffeehausbesitzer", der jetzt den Hauptpreis des Börsenvereins gewonnen hat. Das sind Leute, die Ahnung haben, die tolle Rezensionen schreiben, teilweise auch studierte Menschen sind und die meiner Meinung nach nicht weit entfernt vom Feuilleton sind.

Was zeichnet einen guten Buchblog denn aus?
Valerius Er soll Lust aufs Lesen wecken, die Lust, sich mit Büchern auseinandersetzen. Was die Leute an meinem Account schätzen, ist, dass ich einen persönlichen Bezug zu den Büchern herstelle, eine Emotion vermittle. Durch diesen Bezug und die Gefühle, die ich kundtue, fühlen sich viele Menschen mitgerissen und berührt.

Das ist ja auch das, was die Jury hervorgehoben hat: dass es Ihr ganz eigener Zugang zur Literatur ist, der so authentisch wirkt.
Valerius Das ist meine Art zu verkaufen, den Menschen zu erzählen, was das jeweilige Buch mit mir angestellt hat.

Apropos verkaufen: Besprechen Sie im Blog nur Bücher, die Sie empfehlen können?
Valerius Das wird oft an Blogs bemängelt, dass sie nur positiv über Bücher sprechen. Das liegt bei mir aber daran, dass ich schlechte Bücher nach 50 Seiten abbreche und sie nicht weiterlese. Und ich möchte kein Buch verreißen, von dem ich nur 50 Seiten gelesen habe. Ich habe auch schon Bücher negativ besprochen. Ich kombiniere das aber gerne mit einer Diskussion und frage in die Community, wie es anderen geht.

Wie viele Bücher lesen Sie denn?
Valerius Das ist bei mir auch phasenweise. Ich hab auch mal zwei Wochen, wo ich kein Buch lese, weil ich auch mal 'ne Pause brauche. Aber sonst in einer Woche so drei, vier. In meinem Urlaub 16 Bücher in zwei Wochen. Mittlerweile lese ich ja nicht nur für die Buchhandlung, sondern auch für Instagram.

Warum heißt der Blog "literarischer Nerd"?
Valerius "Nerd" eben, weil ich mich a) so intensiv mit dem Thema Buch auseinandersetze und b), weil ich auch gerne mal Bücher abseits des Mainstreams zeige und c), weil ich Nerd versuche, alles Popkulturelle abzubilden, gelegentlich zeige und bespreche ich ja auch gerne mal einen Film oder eine Serie.

Nennen Sie doch mal drei Bücher, die Sie von Herzen empfehlen würden!
Valerius "Die Farbe von Milch" von Nell Leyshon, Hanya Yanagiharas "Ein wenig Leben" und Mariana Lekys "Was man von hier aus sehen kann". Das hat sich so in mein Herz gebohrt, dieses Buch. Drei Bücher, die mich dieses Jahr am meisten emotional gefordert haben.

Interview: Anne HeucherInterview Florian ValeriusExtra: VOM BÜCHERWURM ZUM BLOGGER-CHAMPION

 Unglaublich, gewonnen! Den Zettel mit dem Jurylob (Foto Mitte) verschickte Florian Valerius von der Frankfurter Buchmesse, kurz nachdem ihm der Buchblog-Award-Sonderpreis 2017 verliehen worden war. Das Foto links stammt aus seinem Blog und zeigt ihn vor seinem Bücherregal. TV-Fotos: privat (2), Anne Heucher

Unglaublich, gewonnen! Den Zettel mit dem Jurylob (Foto Mitte) verschickte Florian Valerius von der Frankfurter Buchmesse, kurz nachdem ihm der Buchblog-Award-Sonderpreis 2017 verliehen worden war. Das Foto links stammt aus seinem Blog und zeigt ihn vor seinem Bücherregal. TV-Fotos: privat (2), Anne Heucher

Foto: (g_kultur
Trierer Buchblogger im Interview: "Instagram - ein Glücksgriff für mich"
Foto: (g_kultur


Florian Valerius (35) stammt aus Trier und hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Er wurde Buchhändler, leitet inzwischen die Filiale der Buchhandlung Stephanus an der Uni in Trier. Seit Juni 2016 schreibt er unter "@literarischernerd" auf Instagram über Bücher. 2017 gewann er unter 400 Bewerbungen den Sonderpreis des Buchblog-Awards von Börsenverein und NetGalley. Er wurde ihm auf der Frankfurter Buchmesse verliehen.

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