Kulturfestival Trierer Theateraktivistin bietet neunstündiges Online-Festival mit Künstlern aus aller Welt

Trier · Joya Ghosh and Friends bieten ein neunstündiges Online-Festival mit Künstlern aus aller Welt.

 Spots in Küchen, Wohnzimmer und ans Mischpult : Die Akteure des digitalen Kulturfestivals (von links) Sebastian Lehmann (Berlin), Nadia Migdal (Tel Aviv), Antonia Knaupe und das Duo (unten) Savoir Vivre (Düsseldorf).

Spots in Küchen, Wohnzimmer und ans Mischpult : Die Akteure des digitalen Kulturfestivals (von links) Sebastian Lehmann (Berlin), Nadia Migdal (Tel Aviv), Antonia Knaupe und das Duo (unten) Savoir Vivre (Düsseldorf).

Foto: Joya Gosh

Antikörper braucht‘s im Moment jede Menge, um Corona in die Knie zu zwingen. Warum also nicht gleich ein ganzes Festival nach den Immunoglobulinen benennen? Und das dann natürlich nur halb so medizinisch daherkommt, wie der Name vermuten lässt. Die Trierer Regisseurin, Schauspielerin und Theateraktivistin Joya Ghosh hat mit 44 weiteren Kollegen aus allen möglichen künstlerischen Sparten ein solches Festival ins Leben gerufen – digital natürlich, um die Ansteckungsgefahr so gering wie möglich zu halten. Die Sänger, Schauspieler, Tänzer und Performance-Künstler haben aus ihren Wohn- und Arbeitszimmern gut neun Stunden lang, also länger als die längste Wagner-Oper, Szenen, Sketche, Lieder, Gedichte und Texte vorgetragen, gesungen und gespielt. Und die Kollegen wurden, wie das in Zeiten tag- und nachtaktiver Viren üblich geworden ist, von weither auf den Schirm geholt.

Das Angebot war so vielfältig wie das Niveau, naturgemäß, unterschiedlich. Zwischen Hochprofessionellem (Christian Miedreich, Ex-Ensemble-Mitglied des Trierer Theaters und inzwischen in Krefeld als freier Schauspieler aktiv, bot einen beeindruckend-anrührenden Monolog aus Urs Widmers Managerdrama „Top Dogs“) und zahlreichen Darbietungen mit dem Charme des Improvisiert-Amateurhaftem gab es Worte und Musik auf allen Qualitäts-Ebenen. Auch ein ganz großer der Comedy-Szene (damals hieß das noch Komiker) stand Pate bei einem Sketch, den die Initiatorin des Festivals darbot: Wie einst Heinz Erhardt einen sinnreichen Dialog ausschließlich mit G-Worten führte („Getränk gefällig? – Genialer Gedanke. Gerade Gewürzgurke gegessen …“), nehmen sich Ghosh und Sara Schilasky (bei deren Namen kaum verwunderlich) den Buchstaben S vor (im Sketch wird dann auch viel Schnaps getrunken!).

Es liegt in der Natur von Experimenten, dass sie nicht wie geplant verlaufen. In diesem Fall war es die Technik, die den Mitwirkenden bisweilen heftig zusetzte. So hatten Luiza Braz Batista, Marsha Zimmermann und Paul Hess, alle vom Theater Trier, bei einer gemeinsamen Performance Verständigungs- und Hörprobleme, die den Genuss der Darbietung ziemlich beeinträchtigten, und die Moderatorin Antonia Knaupe musste oft improvisierend Lücken und Löcher bis zum nächsten Beitrag füllen und überspringen, wenn die Schalte mal wieder nicht klappte oder die Tonspur nicht spuren wollte. „Es war sowohl für mich  als auch für die Technikleitung Antonia Knaupe“, erläutert Ghosh, „eine Premiere, digital ein Kunstfestival zu streamen. Natürlich gab es vor allem zu Beginn Pannen, W-Lan-Verbindungen, die nicht oder fehlerhaft funktionierten, Mikros, die nicht richtig eingeschaltet waren, obwohl wir mit allen Künstlern im Vorfeld mehrere Tests gemacht haben. Das ist eben auch nicht anders als im analogen Live-Auftritt, das habe ich für mich gestern gelernt. Hinter den Kulissen ging es durchaus hektisch zur Sache, aber irgendwann hatte sich das auch eingespielt.“

Aus künstlerischer Sicht dagegen sei sie „unglaublich zufrieden und sehr sehr stolz, so viele großartige Künstler unterschiedlichster Sparten dazu bewegt haben zu können, ohne Anspruch auf eine Festgage zu spielen/tanzen/singen. Wir wollten einfach ein Zeichen setzen: Wir sind noch da, wir lassen uns nicht in ein Loch fallen, wir arbeiten unter erschwerten Bedingungen weiter, möchten kulturelle Inhalte in die Häuser zu den Menschen bringen und ein wenig Freude und Glück verbreiten. Wir haben unheimlich viel Rückmeldung bekommen von Menschen aus ganz Europa, die zuhause festsitzen und denen der Tag viel gegeben hat. Da kann ich doch nur zufrieden sein.“

Die Zuschauerzahlen klingen zwar nicht rekordverdächtig, aber 892, immerhin, haben sich, über den Tag verteilt,  zugeschaltet; durchschnittlich gab es bei jeder Darbietung 46 Augen- und Ohrzeugen. Wer wollte, konnte auch ein Ticket kaufen, und das haben so viele Zuschauer getan, dass immerhin 1700 Euro zusammengekommen sind, von denen ein Teil an „The Mathare Children’s Fund Panairob“, ein Kinderheim in Nairobi, fließt. „Finanziell“, sagt die Initiatorin, „könnte es ein wenig besser aussehen, aber wir hatten eben nur zehn Tage, das Festival zu organisieren und auf die Beine zu stellen.“

 Digitales Kulturfestival Joya Gosh

Digitales Kulturfestival Joya Gosh

Foto: Joya Gosh
 Digitales Kulturfestival Joya Gosh

Digitales Kulturfestival Joya Gosh

Foto: Joya Gosh
 Digitales Kulturfestival Joya Gosh

Digitales Kulturfestival Joya Gosh

Foto: Joya Gosh

Wer den Live-Stream verpasst hat, kann ihn, und zwar noch zwei Wochen lang, unter https://www.twitch.tv./antikoerperkultur/ anschauen. Weitere Infos auch in diesem Video. Außerdem wollen die Veranstalter eine DVD brennen lassen; Informationen dazu auf der Homepage antikoerperkultur.com

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