Historischer Moment Trier – zartbitter infiziert - Das digitale Corona-Gedächtnis der Stadt im Simeonstift

Trier · Das Stadtmuseum Simeonstift Trier sammelt digitale Medien, um ein Corona-Gedächtnis aufzubauen. Neben Bildern der Leere haben die Sammler Bilder der Hoffnung, manche auch mit Witz und Charme, ans Museum geschickt.

 Mit Atemschutzmaske vom Land: Francis: Viertklässler der Ausonius-Grundschule am ersten Schultag nach acht Wochen Zwangspause. Foto: Roland Morgen

Mit Atemschutzmaske vom Land: Francis: Viertklässler der Ausonius-Grundschule am ersten Schultag nach acht Wochen Zwangspause. Foto: Roland Morgen

Foto: Roland Morgen

Auf dem Tisch der Bibliothek des Stadtmuseums Simeonstift liegt eine Tafel Zartbitter-Schokolade. Ohne Maske, ohne Coronavirus wäre sie wahrscheinlich schon längst von Mitarbeitern und Besuchern gemümmelt worden. So bleibt sie während des Pressegesprächs unangetastet. Ein Bild mit Symbolwert: Während des Lockdowns in März und April waren die Straßen in Trier oft menschenleer. Zu sehen ist das auf vielen der über 200 Fotos, die das Simeostiftmuseum als Corona-Gedächtnis in den vergangenen Monaten von zahlreichen Einsendern erhalten hat.

„Uns hat die Vielfalt an Material erstaunt, das uns gemailt wurde“, sagt Kathrin Koutrakos, Pressesprecherin des Stadtmuseums. „Da sind krasse Momente dabei. Die Fußgängerzone: leer! Der Domfreihof: leer! Der Hauptmarkt (mit Weinstand): leer! Der Basilika-Vorplatz: leer!“ Es gebe aber auch Momente der Hoffnung. „Viele Einsender haben Ostern thematisiert; ein anonymer Fotograf spricht von ‚Trostern’. Sylvia Theis zeigt ihren Ostertisch, an dem drei Familienmitglieder Platz nehmen – statt, wie sonst, 20.“

Das Corona-Gedächtnis des Museums ist ein Panoptikum, also eine Sammlung, in der es viele Facetten der Pandemie in der Stadt Trier zu sehen gibt. Zu sehen sind Fotografien von Sehenswürdigkeiten, auf denen die Besucher fehlen, Masken, leere Regale in Supermärkten und natürlich darf das „Helm“-Plakat mit dem Satz „Bleif mim Aorsch dahemm!“ nicht fehlen. Andere, wie das Katz-Theater aus Trier, haben sich kreativ mit dem Thema auseinandergesetzt. So sitzen die Schauspieler an einer langen Tafel und stellen das Abendmahl von Leonardo da Vinci nach. Oder das Bild des niederländischen Malers Jan Vermeer.

In der Sammlung finden sich keine Bilder der regionalen Corona-Proteste oder solche, die sich mit dem sogenannten Shutdown im Frühjahr kritisch auseinandersetzen. „Das hat mich selbst überrascht. Aber die Einsendungen spiegeln aus meiner Sicht die Stimmung im Frühjahr wieder: Energetisch, optimistisch!“, sagt Koutrakos. Einer der Gründe dafür aus Sicht der Pressesprecherin: „Die Menschen wussten noch nicht, wie existenzbedrohend das Virus ist. Ihnen fehlte das Vorstellungsvermögen, vorauszusehen, wie einschneidend für das Leben diese Pandemie ist.“

Festgehalten werden soll der historische Moment, in dem ein Virus das städtische Leben für mehrere Wochen lahmlegt – nicht nur für die Gegenwart. Die Sammler denken auch an die Zukunft. „Wir wollen den Museumsmenschen der Zukunft ein ungefiltertes Bild unserer Gegenwart übermitteln. Deshalb gibt es keine Zensur, keine museale Bewertung der eingereichten Bilder“, betont Koutrakos. Es gehe dem Museum darum, eine Plattform zu bieten, auf der Menschen ihre Sorgen und Hoffnungen teilen dürfen sowie darum, verschiedene Perspektiven zu einem Thema zu sammeln.

Wie es mit dem Corona-Gedächtnis weitergeht? Auf jeden Fall wolle man weiter Bilder zu diesem Sujet sammeln und man denke im Museum darüber nach, ob und wie man diese „Corona-Protokolle“ auch analog präsentieren könne. Entschieden ist aber laut Koutrakos noch nichts.

Und so lange müssen die Trierer weiter auf der Museums-Website nachschauen, wie es im Frühjahr 2020 in Trier war. Irgendwie zartbitter: Eine Stadt zum Verlieben, aber irgendwie auch tot.

 Hauptmarkt mit Maske

Hauptmarkt mit Maske

Foto: Museum Simeonstift/ Winfried Strupp/Winfried Strupp
 Maskenmodelle

Maskenmodelle

Foto: Museum Simeonstift/ Bernd Pulm/Bermd Pulm
 Plakat Helmut Leiendecker

Plakat Helmut Leiendecker

Foto: Museum Simeonstift/ Rainer Müller/Rainer Müller
 Fieberambulanz

Fieberambulanz

Foto: Museum Simeonstift/ Eva Krings/Eva Krings
 Fünf Bilder aus dem beim Simeonstift von Sammlern hinterlegten Corona-Gedächtnis. Mal dokumentarisch (Masken, Hauptmarkt, Fieberambulanz), mal mit Augenzwinkern (Helmut Leiendecker), mal kreativ (Corona-Serie Brina 5).

Fünf Bilder aus dem beim Simeonstift von Sammlern hinterlegten Corona-Gedächtnis. Mal dokumentarisch (Masken, Hauptmarkt, Fieberambulanz), mal mit Augenzwinkern (Helmut Leiendecker), mal kreativ (Corona-Serie Brina 5).

Foto: Museum Simeonstift/ Bettina Ghasempoor/Bettina Ghasempoor
 Markt-Markierung

Markt-Markierung

Foto: Museum Simeonstift/ Eva Krings/Eva Krings

Wer Bilder, Audios oder Videos für das Corona-Gedächtnis an das Museum schicken möchte, kann diese per E-Mail an kathrin.koutrakos@trier.de senden. Weitere Informationen unter www.museum-trier.de/ausstellungen.

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