Interview mit Triers Generalmusikdirektor Jochem Hochstenbach „Er wollte fesseln, aber nicht überfordern“

Trier · Was der Trierer Generalmusikdirektor über Beethoven denkt und welches Programm er beim 1. Sinfoniekonzert präsentiert.

 Jochem Hochstenbach, Generalmusikdirektor des Theaters Trier.

Jochem Hochstenbach, Generalmusikdirektor des Theaters Trier.

Foto: TV/Theater Trier

Ein Festkonzert sollte es werden, ein musikalischer Glückwunsch: „Happy Birthday, Beethoven“. Dann kam Corona, und das 3. Sinfoniekonzert wurde abgesagt. Jetzt setzt der Trierer Generalmusikdirektor (GMD) Jochem Hochstenbach dieses  Konzert zur Saisoneröffnung erneut auf die Agenda und hat allen Grund zur Zuversicht. Abgesehen von der Ouvertüre „Leonore 3“ konzentriert sich das Programm mit der Arie „Ah perfido“ und der 1. Sinfonie auf den frühen Beethoven. Der war noch nicht belastet durch Schwerhörigkeit. Dazu ist das Konzert für Violine und Bläser von Kurt Weill eine spannende Ergänzung. Der Trierische Volksfreund sprach mit Hochstenbach über dieses Programm und speziell über den jungen Beethoven.

Herr Hochstenbach, Die Ouvertüre „Leonore 3“ – nun gut. Aber Szene und Arie „Ah perfido“  und die 1. Sinfonie – ist das für ein Beethoven-Festkonzert  nicht ein bisschen mickrig?

HOCHSTENBACH:  (lacht) Das ist richtig, Sie haben es gleich erkannt. Aber für mich sind auch Beethovens frühe Kompositionen echte Meisterwerke.  Bei denen von „kleineren Werken“ zu sprechen, ist – sagen wir: etwas verwegen. Mit Ihrer Frage haben Sie recht und unrecht zugleich. Wir mussten ja auf die Corona-Bedingungen Rücksicht nehmen, die es gab und immer noch gibt.  Wir tasten uns also  immer vor an unsere Grenzen. Aber davon abgesehen: Ich wollte schon immer die „Erste“ aufführen. Jetzt können wir sie problemlos spielen. Und ich gehöre nicht zu denen, die bei frühen Werken Beethovens dick auftragen mit großem Orchester. Ich halte es ohnehin für falsch, den frühen Beethoven aus der Perspektive des späteren zu interpretieren.  Als Beethoven die Sinfonie  schrieb, war er jung, ehrgeizig  und noch nicht belastet von den Problemen mit seinem Gehör.  So sollte auch seine Sinfonie klingen.

Ich zitiere einmal aus einem Text des angesehenen Musikforschers  Arno Forchert. Der schreibt über das Finale der Ersten, es sei „fraglos eines seiner konventionellsten Stücke – ein munteres und abwechslungsreiches Kehrausstück, das den Hörer weder fordern  noch mitreißen, sondern auf angenehme Art unterhalten will“. Was sagen Sie dazu? Sind Sie einverstanden?

HOCHSTENBACH: Ich bin zum größten Teil einverstanden. Aber man muss die Erste aus dem Zusammenhang verstehen. Beethoven kam Anfang der 1790er Jahre nach Wien. Er war dort einer der ersten freischaffenden Musiker und hat sich mit seinen Improvisationen sehr schnell einen Namen gemacht. Mit seiner ersten Sinfonie wollte er das Publikum zwar fesseln, aber nicht überfordern – er war ja völlig abhängig von der Gunst der Zuhörerinnen und Zuhörer. Mit dem Septakkord zu Beginn der Sinfonie hat er etwas probiert, das es vorher nicht gab. Das Menuett, das eigentlich ein Scherzo ist, war ebenso neu. Und einen langsamen Satz gibt es in dieser Sinfonie ja gar nicht, sondern nur ein Andante cantabile con moto.  Aber Beethoven  konnte solche Kühnheiten geschickt verpacken. Er konnte Überraschungen und Konventionelles austarieren. Darin war er perfekt.  Und das Finale ist wirklich mitreißend, wenn man es nur gut spielt. Da hat Arno Forchert sicherlich Unrecht.

Man ist für musikalische Ausgrabungen ja immer dankbar. Aber warum haben Sie  ein Violinkonzert mit Bläsern von Kurt Weill mitten zwischen Beethoven gestellt?

HOCHSTENBACH: Ein großes romantisches Violinkonzert können wir zurzeit nicht aufführen. Darum haben wir nach Auswegen gesucht und sind auf dieses Konzert von Kurt Weill gestoßen.  Es ist sehr originell besetzt mit Bläsern, vier Kontrabässen, Schlagzeug und natürlich dem Solisten. Außerdem gab es im vergangenen Jahr ein Jubiläum. Weill lebte von 1900 bis 1950.

Befassen wir uns einmal mit dieser Komposition. Da gibt es Anklänge an das lateinische „Dies irae“,  ein Abschnitt im zweiten Satz ist ein „Notturno“ – eine Nachtmusik, ein anderer heißt „Cadenza“ also Kadenz und gibt tatsächlich Raum für unbegleitete, solistische Entfaltung, ein weiterer Abschnitt ist eine  „Serenata“ – also eine Serenade.  Was verbindet diese Aspekte im Violinkonzert? Was gibt dem Werk Einheitlichkeit?

HOCHSTENBACH: Also, dass das Stück in Vergessenheit geraten ist, kann man so nicht behaupten.  Erst kürzlich haben die Berliner Philharmoniker es aufgeführt.  Es ist kein Bravourwerk, das man ins Programm rückt und dann wieder  ablegt.  Es ist sehr komplex. Weill war 24  und Schüler von Ferruccio Busoni  und Engelbert Humperdinck. Es kommen bei ihm also mehrere Traditionen  zusammen. Das hat es mir leicht gemacht, dieses Werk mit Beethoven zu kombinieren.

Dieses Konzert fordert virtuose Qualitäten – auch vom Orchester. Haben Sie schon Zusatzproben angesetzt?

HOCHSTENBACH: Ich habe tatsächlich schon  eine Zusatzprobe angesetzt. Aber solche Herausforderungen tun allen gut: dem Orchester, mir als Dirigenten und schließlich auch der Musik.

1. Sinfoniekonzert am Donnerstag, 23. September, 20 Uhr in der Europahalle. Werke von Beethoven und Kurt Weill. Arminia Friebe, Sopran, Tassilo Probst, Violine. Leitung: GMD Jochem Hochstenbach.
Dramaturg Malte Kühn wird  45 Minuten vor Konzertbeginn eine Einführung geben.

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