Triumph in Esch

Ein rauschendes Opernfest bot sich dem Publikum im kleinen Luxemburger Theater Esch/Alzette. Die Weltklasse-Sopranistin Elena Prokina und ein blendend aufgelegtes Orchester unter dem begeisternden Dirigat des Trierer GMD István Dénes sorgten für Beifallsstürme.

Esch/Alzette. (DiL) Man kann sich darüber streiten, wie sinnvoll es ist, Opern in Konzertform zu zeigen. Zumal bei einem intensiven Stück wie Tschaikowskys "Eugen Onegin", der Geschichte eines unnahbaren Salon-Intellektuellen, der die Liebe eines schwärmerischen Mädchens brüsk zurückweist und zu spät merkt, dass er damit die Chance seines Lebens verpasst hat. Aber der Abend im Theater Esch zeigt eindrucksvoll, dass es im Einzelfall auch ohne Bühnenbild und Regie gehen kann. Mit wenig Gesten viel Wirkung erzielen

Wenn man denn Interpreten hat wie Elena Prokina, die allein mit der Intensität ihres Gesangs, mit wenigen Gesten und Blicken eine Rolle so zu gestalten vermag, dass man ihre Gefühle buchstäblich nachempfindet. In jedem Moment wird deutlich, warum sie von Hamburg bis Berlin, von Amsterdam bis San Francisco in der Rolle der Tatjana, die vom jungen Mädchen bis zu erwachsenen Frau reicht, erste Wahl ist. Prokinas von Schärfen freier, in der Artikulation höchst präziser Sopran ist so facettenreich, dass sie den Alters- und Entwicklungssprung allein mit stimmlichen Mitteln glaubhaft ausdrücken kann Leider ist der (als elegant-rätselhaft gedachte) Onegin mit Juan Carlos Mera-Euler gänzlich fehlbesetzt. Ein kraftvoller, grobschlächtiger Bariton, der als "Jago" vielleicht interessant sein könnte, der aber nie verständlich zu machen mag, warum Tatjana sich unsterblich in einen derart lautstarken Polterer verlieben könnte. Respektabel besetzt sind Manou Walesch als Larina, Hans Jörg Mammel als Lenski und Jeff Speres als Fürst Gremin. Gut schlagen sich die Gäste aus Trier, allen voran Vera Ilieva, die als Tatjanas Amme souverän, stilsicher und darstellerisch profiliert zum Erfolg des Abends beiträgt. Einen Sonderbeifall holt sich Jury Dolgopolow, sonst im Trierer Theaterchor zuhause, für sein kleines, liebevoll gespieltes Kabinettstückchen als Ständchen-Sänger. Überzeugend auch Olga Gorodetskaja als Tatjanas Schwester. Das Herz des Abends schlägt am Dirigentenpult. Istvan Dénes tänzelt, springt, lockt, zeichnet die Musik mit seinem Taktstock in die Luft. Da brennt einer für Tschaikowski, und er entzündet auch alle anderen Akteure. Sicher, da ist manches für die Galerie, aber man sieht förmlich, wie er das Luxemburger Orchester "Les Musiciens" mitreißt, zu Höchstleistungen antreibt, ebenso wie die mächtigen, 100-köpfigen Chöre "Saint-Michel" und "Uelzecht", die freilich nicht ganz so exakt wie imposant agieren. Dénes organisiert den Dialog zwischen Orchester und Solisten, treibt an, bremst, raut auf, glättet, macht die Partitur zum Erlebnis. Am Ende, als er das Orchester auffordert, aufzustehen und den Beifall des Publikums entgegenzunehmen, entsteht ein bewegender Moment: Die "Musiciens" bleiben demonstrativ sitzen und applaudieren stattdessen ihrem Dirigenten. Nicht durch pflichtgemäßes Klopfen ans Instrument, sondern laut und frenetisch. Und verdientermaßen.

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