Trost und Hoffnung

WITTLICH. Das Requiem von Johannes Brahms, ausgeführt von Chor und Orchester der Universität Köln, stand auf dem Programm eines Konzertes in der Pfarrkirche St. Bernhard in Wittlich. Durch eine spezielle Widmung des Abends bekam die Veranstaltung eine besondere Bedeutung, die gerne vom Publikum aufgegriffen wurde.

Traditionell ist der November dem Gedenken an Verstorbene gewidmet. Die Aufführung des deutschen Requiems von Johannes Brahms passt also gut in die Nähe von Allerheiligen und Allerseelen. Der Musikkreis der Stadt Wittlich als Veranstalter aber wollte mehr. In einer Ansprache erläuterte Vorsitzender Franz-Josef Scherl, dass man vor allem den 9. November im Blick habe und das Konzert den Opfern der Reichspogromnacht in Deutschland und ganz besonders in Wittlich widme. Scherl forderte das Publikum in der nahezu ausverkauften Pfarrkirche St. Bernhard auf, am Ende des Konzertes inne zu halten, während die tiefste Glocke der Kirche die Botschaft des Abends in die Welt tragen würde. Die musikalische Verantwortung für dieses Konzert lag in den Händen von Dieter Gutknecht, der mit Chor und Orchester der Universität Köln nach Wittlich gekommen war. Als Solisten hatte er die Sopranistin Julia Borchert und den Bariton Erik Sohn mitgebracht. Das Brahms'sche Requiem ist keine Totenmesse in dem Sinne, wie es sie von vielen anderen Komponisten gibt. In ihm ist nicht die Rede vom Tag des Zornes, dem "Dies irae", wie ihn die Liturgie kennt. Brahms sucht vielmehr den Trost, das Hoffnungsvolle, er stellt den barock-protestantischen Gedanken der Befreiung in den Mittelpunkt. Ein Aspekt, den Gutknecht in vollem Umfang aufgriff. Bei aller Trauer, die dem Werk inne wohnt, leuchtete in seiner Interpretation doch immer die frohe Botschaft, die Hoffnung auf ein befreites Leben nach dem Tode, durch alle Trübsal hindurch. Gutknecht hatte sein Collegium musicum instrumentale et vocale exzellent auf die Aufgabe vorbereitet. Mühelos gelang es ihnen, die Intention ihres Dirigenten umzusetzen. Natürlich gab es in musikalischer Hinsicht auch Mängel, etwa nicht unerhebliche Intonationsprobleme vor allem bei den tiefen Streichern oder dem teilweise sehr scharfen Sopran im Chor. Dabei darf man aber nicht übersehen, dass es sich um einen Klangapparat handelt, der zu großen Teilen aus Studenten besteht. Die beiden Solisten erledigten sich ihrer Aufgabe mit Bravour, wobei man feststellen konnte, dass Erik Sohn seinen künstlerischen Schwerpunkt im Oratorienfach gefunden hat. Ihm gelang es müheloser, seinen Part zu gestalten als der Opernsängerin Borchert. Vom Gedanken als auch von der Leistung her ein beeindruckender Abend, bei dem in einer katholischen Kirche ein Werk mit evangelischem Inhalt zu einer Gedenkveranstaltung für die jüdischen Bürger einer Stadt wurde.

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