Turbulente Beziehungskiste

Trier · Mann weg, Auto weg, Zelt weg. Die temperamentvolle Anke zieht kurzerhand zum spießigen Nachbarn Karsten, den seine Ehefrau gerade verlassen hat. Da prallen Welten aufeinander auf dem Campingplatz in der Provence, und es fliegen nicht nur die Fetzen. Wer spritzige Komödien mit Tiefgang liebt, sollte sich "Runter zum Fluss" im Theaterstudio ansehen: großes Kino - wenn auch ohne Popcorn und Cola.

 Anke (Sabine Brandauer) zieht alle Register, um aus Karsten (Jan Brunhoeber) einen richtigen Mann zu machen – auch die alkoholischen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Anke (Sabine Brandauer) zieht alle Register, um aus Karsten (Jan Brunhoeber) einen richtigen Mann zu machen – auch die alkoholischen. TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. "Highway to Hell" dröhnt es aus dem Kofferradio. Karsten (Jan Brunhoeber) rockt über die Studiobühne im Theater Trier, einen Besen wie eine Gitarre spielend, die Hosen hochgekrempelt, eine Rührschüssel auf dem Kopf. Und wie ein richtiger Rocker geht er auf die Knie, lässt sich fallen, spielt im Liegen weiter. Das bringt ihm einen tosenden Zwischenapplaus von den rund 60 Gästen, die die Premiere der Komödie "Runter zum Fluss" von Frank Pinkus im Studio des Theaters Trier sehen, ein - und ein durchgeschwitztes Hemd.
Vom Stiesel zum Rocker


Da ist nicht mehr viel übrig vom biederen Standesbeamten, der jeden Morgen die Blümchen geraderückt und liebend gerne abtrocknet. Auch Anke (Sabine Brandauer) ist hingerissen. Versucht sie doch schon seit Tagen, aus dem stocksteifen ordnungsliebenden Stiesel Karsten einen echten Kerl zu machen. Und was hat die resolute Busfahrerin nicht alles versucht, seit sie, mit nichts als einem roten Koffer mit Klamotten, auf dem Platz stand? Zelt und Auto waren futsch, besser gesagt, mit Ehemann Manfred auf und davon. Karsten hat zwar noch seine Campingausstattung, aber Schnuckel, wie er seine Mechthild nennt, ist ebenfalls getürmt. "Die Ehe ist im Arsch", wie Anke alias Brandauer trocken bemerkt.
Brunhoeber gibt den spießigen Standesbeamten - zugeknöpft bis zum Kinn (Kostüme: Yvonne Wallitzer) - überzeugend. Ein Typ, der liebend gerne abwäscht, zum Einschlafen Schäfchen zählt und schier ausflippt, als Brandauer Unordnung im Zelt macht. Sie kommt - leichtbekleidet - wie ein Hurrikan über ihn, quartiert sich bei ihm ein und bringt Leben in sein Leben. Herrlich chaotisch und doch erstaunlich zielstrebig. Immer wieder wehrt er ihre Annäherungsversuche ab; verbarrikadiert sich nachts hinter Koffern und aufblasbaren Sesseln - vergebens.
Bühnenbildner Mike Grünwald hat mit Natursteinmäuerchen, Pampasgraswedel, Campingstühlen und Zelt ein Stückchen Provence ins Studio gezaubert. Regisseur Alexander Etzel-Ragusa ist es gelungen, eine temporeiche Beziehungskomödie zu kreieren. Da tragen die Protagonisten einen Streit im mit Bällchen - alles andere würde ja Dreck ins Zelt schleppen - gefüllten Sandkasten aus. Arme, Beine, Köpfe tauchen nacheinander auf und verschwinden wieder zwischen den kullernden Kugeln. Und selbst dort, wo es droht, klischeehaft zu werden, schafft Etzel-Ragusa die Wende ins Humoristische. Weitere Termine: 5., 13., 18., 29. November, 11. und 23. Dezember, jeweils 20 Uhr im Studio des Theaters Trier.

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