Über den Tellerrand hinaus

TRIER. Trier ist um eine gebaute Attraktion reicher. Mit dem eben eingeweihten "Turm Luxemburg" ist neuerlich ein städtebaulicher Akzent gesetzt worden.

 Ansichten eines Turms: Das Kunstwerk Luxemburgs beherrscht die Landschaft der Landesgartenschau.Fotos: Friedemann Vetter

Ansichten eines Turms: Das Kunstwerk Luxemburgs beherrscht die Landschaft der Landesgartenschau.Fotos: Friedemann Vetter

"Flieg Gedanke" - weit schweift der Blick vom neuen Turm übers Land, ein frischer Wind weht durch Haar und Hirn und wer einen Mantel anhat, tut gut daran, bei dem launischen Wetter den Kragen hochzuschlagen. Einen "Turm der Träume und Sehnsüchte" hat Luxemburgs Star-Architekt François Valentiny als Geschenk der Stadt zur Landesgartenschau den befreundeten Trierer Nachbarn auf den Petrisberg gestellt. Wer will, kann sich - nach der Vorstellung des Baumeisters - von dort in alle vier Himmelsrichtungen davonträumen oder einfach seinen Gedanken freien Lauf lassen. Wer sich auch gedanklich lieber gezielt auf Reisen begibt, dem helfen kleine Täfelchen, die an den verschiedenen Aussichtspunkten auf Metropolen in der Ferne hinweisen. Nach Moskau und Lissabon geht der Blick, die Hauptrichtung bleibt naturgemäß das Großherzogtum. Ich wollte einfach, dass über den Tellerand hinausschaut, wer auf den Turm steigt", erklärt Valentiny. "Die Täfelchen sollen dabei helfen". Das jüngste architektonische Kind aus der Verbindung Trier-Luxemburg hat seit Freitag auch offiziell einen Namen. Auf "Turm Luxemburg" tauften der Trierer Oberbürgermeister Helmut Schröer und sein Luxemburger Kollege Paul Helminger das 26 Meter hohe und 60 Tonnen schwere Bauwerk aus Stahl. Als "Dokument der Freundschaft" - so der Trierer Stadtchef - soll der Turm künftig weit hinaus ragen. Unter den Gratulanten der "Taufgesellschaft" war neben zahlreichen anderen Gästen auch der rheinland-pfälzische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium Günter Eymael, der in Vertretung seines erkrankten Ministers Hans-Artur Bauckhage angereist war. Ausgegangen war die Idee zum Turmbau ursprünglich von den Trierer Landschaftsarchitekten Ernst und Schwarz, die den Wettbewerb zur Geländegestaltung der LGS gewonnen haben. Allerdings: "Einfach einen Turm zu bauen, war mir zu langweilig", befand François Valentiny, "da steigt man rauf und das war es dann." Aufregenderes hatte der eigenwillige Baumeister im Sinn, der international für seine phantasievollen Räume steht. Und wirklich: Von der gängigen Aussichtssäule hat der 280 000 Euro teure Turm, der zu den architektonischen Höhepunkten Triers und der Gartenschau gehört, kaum mehr als die Treppe nach oben. Stattdessen schuf der Architekt, der die Stadt Trier übrigens schon öfter beraten hat, eine begehbare Plastik, deren Spitze zielgerade gen Himmel strebt und deren äußere Plattformen in drei Himmelsrichtungen in den freien Raum greifen. Eine spannende Erlebniswelt tut sich auf. Wie der Wanderer im Gebirge kann der Besucher auf schmalen Stegen von außen das Innere der Plastik erklimmen. Wer sich hingegen entschließt, geradewegs die zentrale Treppe hinaufzusteigen, der fühlt sich wie weiland Jakob auf der Himmelsleiter. Auf dem Weg nach oben durchquert der Aufstiegswillige im Inneren des Turms eine schroffe Schlucht aus Stahlwänden, die am Ende den Blick auf einen hinreißenden Landschaftsausschnitt freigibt. Der braune Corten-Stahl tut ein übriges. Nicht nur, dass er im Großherzogtum als Baumaterial Tradition hat: Der Edelrost seiner Oberfläche vermittelt - in schöner Untertreibung - Verlässlichkeit und den Eindruck des Althergebrachten. Nichts Neureiches wollte schließlich Architekt Valentiny: "Ich wollte ein Material das schon jetzt Patina hat". Übrigens: Bestens versteht sich der neue Turm mit dem schönen alten Wasserturm gegenüber. Die edle Schlichtheit ist beiden gemein. Der Turm Luxemburg: Architektur oder Skulptur? Das ist auch für Valentiny nicht die Frage: "Die Architektur ist die Skulptur." Mehr noch: die Funktion hat die Form bestimmt, ganz wie es seinerzeit die Architektur-Klassiker forderten. "Die Wegführung hat die Form hervorgebracht", erklärt der Architekt. Zum Turm soll noch ein Luxemburger Garten kommen, in dem die Städtefreundschaft gepflegt wird. "Schließlich schaut niemand mehr von hier über die Grenze nach Feinden aus", so Bürgermeister Helminger. Informationen zur LGS unter der Hotline 0180-5112004 für zwölf Cent pro Minute.

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