Überwältigendes Klangerlebnis und bewegender Aufruf

Trier · Mit der Aufführung von Benjamin Brittens "War Requiem" (zum 100. Geburtstag des Dirigenten) hat das Mosel Musikfestival in seiner 27-jährigen Geschichte einen absoluten musikalischen Höhepunkt erreicht. 800 Zuhörer waren begeistert und bewegt. Unter ihnen auch der Dirigent Enoch zu Guttenberg.

Trier. Wie die rechten Worte finden für etwas, das in seiner ganzen Tiefe und Größe eigentlich nur erfühlt werden kann? Selten war ein Abend so eindringlich, so überwältigend wie die Aufführung von Benjamin Brittens "War Requiem" in der Trierer Basilika.
Die nackten Mauern des Baus boten den perfekten Rahmen für dieses klangmächtige Bild menschlicher Not, kriegerischer Barbarei und Erlösungshoffung.

Wie ein klassisches Gemälde



Als Friedensappell hatte Britten sein Requiem zur Einweihung der wieder aufgebauten Kathedrale von Coventry 1962 komponiert. Gleichsam als Parallele wies Triers Kulturdezernent Thomas Egger vor der Aufführung auf die Zerstörung der Basilika 1944 und ihre Wiedereröffnung als evangelische Kirche 1956 hin.
In Brittens Requiem verbinden sich die lateinischen Gesänge der katholischen Totenmesse mit den Kriegsgedichten des im Ersten Weltkrieg gefallenen, englischen Dichters Wilfred Owen. Mit ihren drei hintereinander gestaffelten Ebenen, die sich durchdringen, ist die Komposition wie ein klassisches Gemälde angelegt. So hatte Dirigent Ralf Otto auch seine Musiker aufgestellt. Im Vordergrund steht der Mensch, das leidende Individuum, verkörpert durch die Gesangssolisten, Owens Verse und ein kleines Kammerorchester. Dahinter im Mittelgrund als gemeinschaftliches Totengedenken: das große Orchester und der große Chor mit den liturgischen Texten und der Musik der Totenmesse. Den Hintergrund schließlich bilden die hohen Sopranstimmen des Knabenchors. Sie hatte Otto im hinteren Teil der Basilika platziert. Unter Ottos souveräner, hochsensibler Leitung entstand ein dichtes musikalisches Gemälde von packender Klangmacht und bewegender Eindringlichkeit.
Vielfarbig, konturen- und nuancenreich bis ins Feinste machten die Orchestermusiker der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern gemeinsam mit dem großartigen Bachchor Mainz und dem ebenbürtigen Chor der Hochschule für Musik Mainz die dramatische Spannung, den inneren Widerspruch dieses Meisterwerks hörbar. Das war keine herkömmliche tröstende Totenmesse. Das war Todesangst mit gellenden Schreien und heftigen Orchester-Attacken, in denen Susanne Bernhards hochdramatischer Sopran für Aufruhr sorgte. Als hauchzarter Klang keimte Hoffnung in dieser Seelennacht.
Wie eine ferne Verheißung erklangen die glasklaren Knabenstimmen des Mainzer Domchors. Vor allem kollektiven Erleben stand die Not des Einzelnen. Meine Poesie ist das Leid hatte Wilfred Owen über seine Texte geschrieben, Christoph Prégar diens schlanker ausdrucksstarker Tenor meißelte dieses Leid, seine Verzweiflung und seinen bitteren Spott in Klangskulpturen. Ihm zur Seite: Thomas E. Bauers wunderbarer, warmer Bariton. Kammermusikalisch vom Feinsten: ihr Dialog mit dem "kleinen Orchester". Ein ganz großer Abend.Extra

Das Konzert senden am Dienstag, 13. August, ab 20.05 Uhr alle Kultursender der ARD bundesweit. Ferner gibt es im Rahmen der European Broadcasting Corporation (EBC) bereits am 15. Juli eine Übertragung in zehn europäische Länder. red

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