Unbequeme Fragen
Unter das doppeldeutige Motto "ZusammenHalt" stellt das Theater Trier sein Programm in der kommenden Saison. Klassiker wie Wagner und Lessing treffen auf zeitgenössische Künstler, und bewährte Regie-Namen wechseln sich mit jungen Gesichtern ab.
Trier. Innehalten, die Verhältnisse analysieren, Fragen jenseits des mehr oder weniger florierenden Alltags-Geschäfts stellen: Das tut außer dem Theater heute kaum mehr jemand. Vielleicht spricht Intendant Gerhard Weber bei der Vorstellung seines neuen Programms deshalb so viel vom "Spiegeln". Der Gesellschaft den Spiegel vorhalten, Nachdenken einfordern: Das tun viele der zentralen Produktionen in der Spielzeit 2007/2008. Wagners "Walküre", Lessings "Nathan", Büchners "Woyzeck", Becketts "Endspiel": Kein Stoff für nette Abende im Parkett, sondern Kunst, die auch das Publikum fordert. Das gilt umso mehr für eminent politische Stücke wie Wajdi Mouawads "Verbrennungen" oder Tom Lanoyes "Festung Europa".Kunst, die das Publikum fordert
Natürlich gibt das Theater auch dem Unterhaltungs-Affen Zucker. "Bettelstudent" und "Kiss me, Kate", "Der Geizige" und "Kunst", dazu die süße Tristesse von Puccinis "Butterfly" und die fröhliche Anarchie von "Räuber Hotzenplotz": Angesichts dieser Kassenknüller dürfte Finanzchef Werner Reichert halbwegs ruhig schlafen - auch wenn die aktuellen Theater-Besucherzahlen in diesem Jahr so sorgsam gehütet werden, dass man nichts Gutes ahnt.Platz für Raritäten und Experimente gibt es auch. Ein szenisches Oratorium des belgischen Komponisten Boudewijn Buckinx über Nikolaus von Kues kommt zur Uraufführung, die rare Barock-Oper "Dardanus" von Rameau wird ausgegraben. Den "Woyzeck" bringt Trier mit der schrägen musikalischen Untermalung von Tom Waits und Nick Cave heraus, live gespielt von Michael Kiessling. Und Tanztheater-Chef Sven Grützmacher widmet sich nach Chanson und Rock mit "Schmetterlingssonaten" diesmal dem Jazz eines Keith Jarrett.Richard Wagner liefert zum 125. Todestag eine Art roten Faden im Programm. Neben der fast komplett mit Gästen bestückten "Walküre" gibt es einen "Siegfried" als "Musikalisches Abenteuer" für Kinder und ein Tanzstück um Motive aus dem "Ring", das keine Geringere als Birgit Scherzer beisteuert. Dazu kommen Lesungen und Diskussionen in Zusammenarbeit mit der VHS und dem Wagner-Verband. Trier sei eben "eine Wagner-Stadt", sagt der Intendant.Kooperation wird auch sonst groß geschrieben. Das Kapuzinertheater in Luxemburg, die FH, die Europäische Kunstakademie, die Uni, die Katholische Akademie: Weber sucht die Zusammenarbeit. Auch das Karl-Marx-Haus ist mit von der Partie, wenn im März 2008 fast zeitgleich mit Wagner der 125. Todestag des Philosophen und Weltveränderers begangen wird. Bei der Regie mischen sich in der kommenden Saison Bewährtes und Riskantes. Wagner-Veteran Hans-Peter Lehmann macht die "Walküre", mit KD Köhler, Bisser Schinew und Wolf Widder kommen im Musiktheater die erfolgreichen Regisseure dieser Spielzeit wieder. Bettina Rehm übernimmt nach ihrer großen Festspiel-"Medea" den "Nathan", Gerhard Weber inszeniert "Woyzeck", und ansonsten vertraut der Intendant mit Indira Rautenberg, Steffen Popp und Babette Peiker gleich drei Trierer Eigengewächsen Schauspiel-Produktionen im Großen Haus an. Meinung Denkarbeit Ein Kessel Buntes ist es sicher nicht, was das Trierer Theater in der kommenden Spielzeit anbietet. Da steckt viel Denk- und Konzeptionsarbeit drin. Man nimmt die gesellschaftliche Verantwortung ernst, und das ist gut so. Theater, das nur nett ist und populär, rechtfertigt keine öffentliche Förderung. Pop-Konzerte werden ja auch nicht subventioniert. Und doch muss man darauf achten, sein Publikum mitzunehmen. Im Bereich Schauspiel und "Zuschauer-Nachwuchs" setzt man richtige Konzepte konsequent fort. Wie hingegen die klassische Abo-Klientel goutiert, dass es nur noch drei "normale" Opern gibt, darunter ein schwerer Wagner und ein gänzlich unbekannter Rameau, wird man erst sehen müssen. Und ob es eine dem heimischen Ensemble förderliche Entscheidung ist, viel Energie in eine Oper zu investieren, bei der die hauseigenen Sänger weitgehend in die Röhre schauen, ist auch noch nicht ausgemacht. Ein klares Plus aber für die Bereitschaft der Theater-Leute, aus dem Elfenbeintum herauszugehen und mit anderen zu kooperieren. Programm: Premieren Musiktheater: Cole Porter, "Kiss me Kate", 30. September; Wagner, "Die Walküre", 21. Oktober; Buckinx, "Cusanus - Fragmente der Unendlichkeit", 24. November; Millöcker, "Der Bettelstudent", 13. Januar; Puccini, "Madame Butterfly", 23. Februar; Rameau, "Dardanus", 6. April. Premieren Schauspiel: Lessing, "Nathan der Weise", 10. November; Büchner, "Woyzeck", 26. Januar; Moliére, "Der Geizige", 9.März; Mouawad, "Verbrennungen", 19. April. Premieren Tanztheater: Scherzer, "Alles weiß ich, alles! - Ring-Motive", 22. September; Grützmacher, "Schmetterlingssonaten", 10. Februar. Premieren Kinder/Jugend: Larsen, "Siegfried oder Wer wird Herr des Rings?", 23. September im Foyer; Preußler, "Der Räuber Hotzenplotz", 30. Oktober; Kittstein: "Tokio", 21. Januar im Studio, Produktion Jugendclub (N.N.) Premieren Studio: Yasmina Reza, "Kunst", 29. September; Beckett: "Endspiel", 14. März; Tom Lanoye, "Festung Europa", 27. April 2008. Antikenfestspiele 2008: Verdi, "Nabucco"; Grützmacher, "Moses" (Tanztheater), Premieren im Juni im Amphitheater.