Und immer ist das Meer dazwischen

Trier · Die kubanische Sängerin Addys Mercedes wird bei einem Konzert in der Tufa Trier ihr aktuelles Album "Locomotora A Cuba" vorstellen. Es schöpft aus den biografischen Erfahrungen der Künstlerin im Spannungsfeld zweier Kulturen.

Trier. Mit 19 Jahren hat sie Kuba verlassen, um in Deutschland und Spanien zu leben. Über ihr Leben, ihre musikalische Entwicklung und das neue Album hat sie mit unserer Mitarbeiterin Anke Emmerling gesprochen.
Wovon haben Sie in ihrer Kindheit in Kuba geträumt?
Addys Mercedes: Ich habe davon geträumt, Balletttanzen zu lernen. Aber das war völlig unmöglich, wir lebten auf dem Land, meine Mutter war alleinerziehend mit vier Kindern, und es war keine Ballettschule in der Nähe. Dann träumte ich davon, Schauspielerin zu werden, das war genauso unmöglich.

Wie sind Sie dann zum Gesang gekommen?
Mercedes: Wir zogen um, und da, wo wir dann lebten, gab es eine kleine Musikschule. Dort wurde ich angemeldet und habe im Alter zwischen zehn und 14 Jahren meine ersten Schritte als Sängerin gemacht.

Sie sind als 19-Jährige nach Deutschland gekommen. Wie ist es Ihnen gelungen, Ihre Herkunftskultur mit der der neuen Heimat zu vereinbaren?
Mercedes: Es war ein langer Weg, und es war anfangs schwer. Ich konnte gar kein Deutsch, musste mich umstellen und an die neue Welt gewöhnen. Das hat mich viel Zeit gekostet, in der musikalisch auch nicht viel passiert ist. Dann habe ich typische kubanische Musik gemacht, zeitweise in Spanien gelebt und auch sehr viel Erfolg gehabt. Ich liebe diese Lieder, bin damit aufgewachsen, aber ich wollte etwas Eigenes machen. Durch die Begegnung mit anderen Musikern habe ich begonnen, zu mischen und gemerkt, das macht mir Spaß. So entstand der Wunsch, meine Wurzeln mit neuen Einflüssen zu verbinden. Bereits mein zweites Album war dann eine Mischung mit Elektronik, R&B und verschiedenen anderen Elementen. Jetzt kommt das vierte Album heraus, und ich habe das Gefühl, langsam habe ich mich gefunden. Wenn man jahrzehntelang hier lebt, dann verändert man sich einfach und damit auch die Musik.

Was bedeutet der Titel Ihres neuen Albums "Locomotora A Cuba"?
Mercedes: Er heißt "Lokomotive nach Kuba". Ich war immer sehr neidisch, wenn ich etwa Türken gesehen habe, die einfach in ein Auto steigen und in ihre Heimat fahren können. Und ich selbst saß hier, wusste, Kuba ist weit weg, und immer ist das Meer dazwischen. Da habe ich gedacht, es wäre so schön, wenn ich auch ohne Einschränkungen dorthin fahren und auch mitnehmen könnte, was ich mitnehmen möchte, weil man in Kuba einfach alles gebrauchen kann. Daraus ist das Bild der Lokomotive entstanden.

Erzählen Ihre Lieder also von den eigenen Träumen, Fantasien und Geschichten?
Mercedes: Ja, auch viel von meiner Kindheit, wie das Lied "Mi Carrito de Cartón", "Seifenkiste". Wir lebten auf dem Land, waren arm und konnten uns kein Spielzeug kaufen. Meine Brüder haben mir beigebracht, wie man ein Kartonauto baut. Und dann habe ich mir in meiner Fantasie vorgestellt, dass ich durch ganz Kuba damit fahre, meine Familie mitnehme und meine Puppe. So bin ich sogar nach Havanna gekommen, das ich real erst viel später kennengelernt habe, als ich schon hier in Deutschland lebte.

Was glauben Sie, spricht uns Deutsche an der kubanischen Musik an?
Mercedes: Die Kubaner haben etwas Besonderes: Ihnen kann es sehr dreckig gehen, aber sie versuchen immer, Spaß am Leben zu haben und sich nicht unterkriegen zu lassen. Sie wollen immer das Positive sehen, und ich glaube, das drückt sich in ihrer Musik aus. Wenn sie auf der Bühne stehen, dann sind sie so temperamentvoll und lebensfroh. Ich denke, das ist es, was den Menschen hier gefällt. ae
Das Konzert ist am Donnerstag, 18. September, 20 Uhr, im großen Saal der Tufa. Infos unter <%LINK auto="true" href="http://www.tufa-trier.de" class="more" text="www.tufa-trier.de"%>
Extra

Addys Mercedes, 1973 in Moa (Ost-Kuba) geboren, sang mit 15 in ihrer ersten professionellen Band und versorgte mit 18 ihre Familie durch das feste Engagement in einem Touristenzentrum. 1993 kam sie erstmals nach Deutschland. 1999 erschien ihr erstes, viel beachtetes Soloalbum "Mundo Nuevo". Es folgten Auftritte unter anderem bei den Leverkusener Jazztagen, zwei weitere Alben und Touren mit Eric Clapton und Bob Geldof. Seit 2005 pendelt sie zwischen Teneriffa und Deutschland. Hier lebt sie in Essen, wo Tochter Lina an der Folkwang-Hochschule Geige studiert. Tochter und Ehemann begleiten Addys Mercedes in ihrer aktuellen Tourband. ae

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