Unheilige Nacht

Trier · Mit dem Lied "Geboren um zu leben" wurde der Sänger "Der Graf" schlagartig in Deutschland bekannt. 8000 Fans waren in die Arena Trier zum Konzert seiner "Die Große Freiheit"-Tour gekommen, viele von ihnen konnten dabei erfahren, dass seine Band "Unheilig" schon seit zehn Jahren bodenständige Gothic-Musik macht.

 Unheilig-Sänger „Der Graf“ hat mit seinem Ein-Mann-Show-Konzept Erfolg. TV-Foto: Hans Peter Linz

Unheilig-Sänger „Der Graf“ hat mit seinem Ein-Mann-Show-Konzept Erfolg. TV-Foto: Hans Peter Linz

"Hallenrekord für dieses Jahr" meldet Arena-Chef Wolfgang Esser. Das Konzert von "Unheilig" in der Arena Trier war schon seit Wochen ausverkauft. 8000 Fans aus Trier, dem benachbarten Saarland, Luxemburg und aus der Pfalz feierten den "Grafen", Sänger der Band Unheilig. Die Besucher sind bunt gemischt, stilechte Gothics in Plateaustiefeln, quietscheng geschnürten Lack-Corsagen und langen dunklen Mänteln, aber auch Menschen in Jeans und Turnschuhen sind gekommen.

Zwar ist Unheilig in der Szene seit zehn Jahren ein fester Begriff, dem breiteren Publikum wurde der "Graf" aber erst in diesem Jahr bekannt, als seine Hymne "Geboren um zu leben" Platz 1 der deutschen Verkaufscharts erreichte. Den Bundesvision Song Contest hat er nebenher auch noch eingesackt. Selbstredend, dass es daraufhin in der Gothic-Szene viel Kritik gab.

Sei's aber drum - was "Der Graf" in der Arena in Trier präsentierte, war eine höchst überzeugende Show, bei der er eine beeindruckende Gratwanderung zwischen Schlager und Popmusik meisterte. Dazu gehört natürlich eine ausgefuchste Selbstinszenierung. Grundsätzlich immer in schwarzem Anzug, weißem Hemd und schwarzem Schlips stürmt der Graf gleich beim ersten Lied über die Bühne, gestikuliert theatralisch umher und peitscht sein Publikum auf. Dabei breitet er immer wieder die Arme weit aus, als wolle er das Publikum umarmen. Selbst seine Finger bewegen sich zum Rhythmus der Musik. Manchmal wirft er die Arme in die Höhe wie ein Schamane bei einem spirituellen Ritual. Das wirkt und elektrisiert seine Fans geradezu.

"Unter Deiner Flagge, Deine Liebe ist mein Schild", singt der Graf - das könnte kitschig klingen, tut es aber nicht. Im Gegenteil - der Graf rutscht nie ins Beliebige ab, sondern kriegt bei jedem Lied die Kurve, bleibt authentisch. Seine Stimmgewalt ist enorm, er verausgabt sich regelrecht, er badet im Jubel seiner Fans und gibt ihnen seine Nähe zurück. Sein Programm bietet ruhige Balladen, aber auch härtere Titel - es ist tatsächlich massentauglich mit eingängigen Titeln wie "An deiner Seite" oder "Spring". Dabei bewegt er sich zwischen melancholischem Gothic-Deutschpop und neuer Deutscher Härte (siehe Extra). Die Geschichten, die er in seinen Liedern erzählt, der Verlust eines geliebten Menschen, die Freiheit, sich nichts vorschreiben zu lassen, berühren jeden, reißen mit.

Während die Band im Hintergrund musiziert, dominiert der Graf als Sänger die Show. Höhepunkt ist natürlich der Erfolgs titel "Geboren um zu leben", den die Fans inbrünstig mitsingen. Freilich hätte er sich zum Schluss das vorweihnachtliche "Leise rieselt der Schnee" durchaus sparen können, aber selbst das machte das Publikum mit - und der Graf lag richtig, denn beim Verlassen der Arena schneite es tatsächlich. Das Ein-Mann-Show-Konzept des Grafen funktioniert - er ist eben nicht nur ein Sänger, sondern ein Entertainer. Er vermittelt ein Gefühl der Gemeinsamkeit, er singt nicht für die Musik, sondern für das Publikum - diese Nähe ist sein Erfolgsrezept, das auch in Trier aufging.

Hintergrund

Neue Deutsche Härte nennt man einen Musikstil, der aus sich aus der Neuen Deutschen Welle entwickelt hat - eine rhythmusbetonte Mischung aus Elektronik-Klängen und harter Rockmusik. Rammstein war die erste Band, die diese Musik international bekannt gemacht hat. (hpl)

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