Unter Quarantäne

Trier · Mit 19 Jahren verliert Fräulein Fuji alles: ihren Beruf, ihre Familie, ihre Gesundheit. Nicht einmal ihren Namen darf sie behalten, als sie im Herbst 1948 auf die japanische Insel Nagashima gebracht wird.

Die junge Frau, die bis dahin eine leidenschaftliche Perlentaucherin war, ist an Lepra erkrankt. Als Aussätzige wird sie in ein Leprosorium verfrachtet und aus dem Familienregister gestrichen. Sie erhält eine Nummer und die Anweisung, sich einen neuen Namen zu geben. In der Vorstellung, dass der Name das einzige Glück sei, das ihr bleibt, nennt sie sich Fuji - nach dem berühmten Berg, den sie als Kind einmal bestiegen hat. Frau Fuji wird auf der Insel immer wieder Grenzen überschreiten. Sie wird Verbote missachten, sogar heimlich nachts zum Festland schwimmen. Schließlich wird sie sogar eine Revolte auslösen. Denn die Inselbewohner haben nicht nur mit den Symptomen der Krankheit zu kämpfen, sondern auch mit unglaublich irrationalen gesellschaftlichen Zwängen. Die geradezu hysterische Angst der Gesunden vor der "Schande" führt dazu, dass der Staat nicht-ansteckende Bewohner unter Zwangsquarantäne hält. Jeff Talarigos Roman beruht auf historischen Fakten. Der amerikanische Journalist hat ihn den 25 000 Menschen gewidmet, die die Geschichte von Frau Fuji erlebt haben. Dabei wirken die schlaglichtartig erzählten "Artefakten" über Nagashima in der nüchternen, unpathetischen Sprache umso eindringlicher. Annemarie Heucher Jeff Talarigo, Die Perlentaucherin. 2005, btb-Verlag, 235 Seiten, 8,50 Euro

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