Unterm Strich - Die Kulturwoche

Dürfen künstlerisch bearbeitete Porträts von Diktatoren wie Hitler und Stalin in einem Parlamentsgebäude hängen? Die Frage klingt skurril, erhitzt aber derzeit die Gemüter in Potsdam. Im neu gebauten Brandenburger Landtag hängen 112 Bilder des Berliner Künstlers Lutz Friedel, bei denen er Porträts Prominenter übermalt und verfremdet hat - darunter Helmut Schmidt und Anne Frank, aber eben auch Hitler und Goebbels.

CDU und FDP finden das geschmacklos, SPD und Linke verweisen auf die Freiheit der Kunst. Maler Friedel, zu DDR-Zeiten selbst zensiert, ist empört über die Debatte und betont, er wolle nur zum Nachdenken anregen. Letzter Stand: Die Bilder bleiben. In Riga laufen derweil die letzten Vorbereitungen für das heute beginnende Kulturhauptstadt-Jahr. Wagners Oper "Rienzi", einst in Riga komponiert, macht heute Abend den Auftakt, die Eröffnung der für 163 Millionen Euro neu gebauten lettischen Nationalbibliothek folgt morgen. Eine kilometerlange Menschenkette soll symbolisch die Bücher vom alten zum neuen Standort weiterreichen. Die Beliebtheit des modernen Neubaus hält sich freilich in Grenzen: Rigas Bürgermeister fühlte sich angesichts der Architektur an einen riesigen Supermarkt erinnert. Andere stoßen sich an der Bausumme, die aus ihrer Sicht nicht in die Zeiten der öffentlichen Finanzkrise passt. Manchmal muss man freilich, um Bleibendes zu schaffen, gerade dann verschwenderisch sein, wenn es am wenigsten passt. So wie bei der Designform Art déco mit ihren kostbaren Materialien und eleganten Formen. Sie erlebte ihren Höhepunkt Ende der 1920er Jahre, als die Welt unter der Wirtschaftskrise stöhnte. Heute zahlt sich die Verschwendung von einst aus: Die Schau "1925 - Als Art déco die Welt verführte" in der Pariser Cité de l\'architecture lockte mit ihren 400 Exponaten in drei Monaten 110 000 Interessenten an. Nun wurde sie bis zum 3. März verlängert. Nicht nur in Paris steht man Schlange, auch am Altonaer Theater in Hamburg. Dort hat man den Bestseller "Der Hundertjährige..." von Jonas Jonasson für die Bühne aufbereitet - mit Jörg Schüttauf in der Hauptrolle. 40 ausverkaufte Vorstellungen, 20 ausverkaufte Gastspiele, bis Anfang 2015 alles ausgebucht: Da bahnt sich ein neues Theaterkultstück an. Kult sind auch Heinos Versionen von Rammstein oder den Ärzten. Aber dieser Kult kommt nicht überall an. Der blonde Barde wollte die schrägen Songs in Görlitz bei seiner Kirchen-Tournee singen. Das sei unerwünscht, befand nun der evangelische Gemeindekirchenrat. Dieter Lintz Weitere TV-Kolumnen auf www.volksfreund.de/kolumne

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