Unterm Strich - Die Kulturwoche

Wäre Deutschland Frankreich, dann hieße das Kulturthema der Woche ohne jede Frage: Franz-Josef Degenhardt ist tot. Die Franzosen lieben und ehren ihre Liedermacher; als seinerzeit ein Georges Brassens starb, trauerte die ganze Nation.

Obwohl Brassens ähnlich sperrig war wie der linke Rechtsanwalt Degenhardt, der die Zuneigung zu seinem Vaterland meist in die Form heftiger Kritik zu kleiden pflegte. Aber nach "Väterchen Franz" wird man keine Schulen benennen, seine wunderbar altersweisen Chansons laufen in keinem wahrnehmbaren Radiosender, das Fernsehen widmet dem Grandseigneur des Protestsongs keine Gedenksendungen. Schade eigentlich. Über mehr Nachruhm darf sich dieser Tage Heinrich von Kleist freuen - wenn er denn Gelegenheit dazu hat. Bis Dienstag hatten sich 130 Kultureinrichtungen von Armenien bis China, von Brasilien bis Neuseeland auf einer Internet-Plattform eingetragen, die eine der größten Lese-Aktionen aller Zeiten organisiert. Am kommenden Montag, zu Kleists 200. Todestag, soll gegen 17 Uhr weltumfassend aus seinen Werken vorgelesen werden. Womöglich liest da auch Armin Petras mit, als Schauspielregisseur und Intendant des Berliner Maxim-Gorki-Theaters derzeit einer der erfolgreichsten Theatermacher Deutschlands. Seit Montag ist nun auch offiziell klar, was sich schon länger abzeichnete: Petras übernimmt mit dem Stuttgarter Schauspielhaus eines der "Top 5"-Sprechtheater Deutschlands. Die Stuttgarter dürfen auf ein aktuelles und gesellschaftspolitisch provokantes Theater gespannt sein. Petras will das Haus nach eigener Aussage als "klassisches Stadttheater positionieren", aber auch "ein bisschen Wildheit in die Gegend bringen". Letzteres könnte als Aussage auch über der Opern-Uraufführung "Gogol" im Theater an der Wien stehen. Die Lebensgeschichte des irren Poeten Nikolai Gogol, der sich zu Tode fastete, dient der Komponistin Lera Auerbach als Fläche für ein "buntes Spektakel des inneren Wahns", wie die Presse applaudierte. Die Chose geriet auch beim Publikum zum Triumph. Triumph und Wahnsinn, das ist letztlich auch das Sujet einer Doppel-Biografie der Filmkritikerin Christa Maerker. Unter dem Titel "Wir haben uns verzweifelt geliebt" erzählt sie die Geschichte von Liz Taylor und Richard Burton. Maerker geht dabei weit über die Klatsch- und Tratschgeschichten des Promi-Paars hinaus, analysiert ihre schon von Kindheit an extrem unterschiedlichen Lebenswege und breitet eine Story von Glück, Unglück, Reichtum, Maßlosigkeit, Erfolg und Exzess aus. Erschienen im Propyläen-Verlag Berlin. Dieter Lintz

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