Unterm Strich - Die Kulturwoche

Kultur und Internet gelten manchem Zeitgenossen als unvereinbare Gegensätze - angesichts mancher Netzergüsse kann man das nachvollziehen. Es geht aber auch anders.

Vorreiter bei der Verbreitung von Kulturschätzen im Web ist, man höre und staune, das Land Bayern. Es hat am Dienstag das Portal www.bavarikon.de eröffnet, eine Internetplattform, die Tausende digitalisierter Handschriften, Gemälde und Museumsobjekte vereinigt. Und zwar nicht einfach als Abbildung, sondern teilweise in beweglicher 3D-Technik. Bis Ende 2014 soll weiterer "Content" dazukommen. Im Koblenzer Ludwig-Museum kann man den Inhalt von Kunstausstellungen dagegen noch live sehen, riechen und anfassen - na ja, letzteres natürlich nur sehr bedingt. Aber das open-air-angegliederte Alu-Sonnenblumenfeld von Xu Jiang hat am Deutschen Eck schon manchen zum Berühren verführt. Es geht, wie der Künstlername ahnen lässt, um chinesische Kunst, und zwar rund um das Thema Natur. Neben Xu Jiang sorgt auch noch seine Kollegin Shi Hui mit ihren Plastiken und Installationen für großes Publikumsinteresse. Zu sehen ist die Ausstellung der beiden Künstler aus Hangzhou mit dem Titel "Flourishing spirits" (zu Deutsch etwa: blühende Seelen) noch bis zum 16. Juni. In Stuttgart blühen weniger die Seelen und dafür um so mehr der Ärger über die drastischen Fehlkalkulationen bei der Sanierung des Schauspielhauses. Die Reparaturen dauern statt des geplanten Jahres mittlerweise deren drei, die Kosten sind von 24 auf 30 Millionen Euro gestiegen, die Fertigstellung nicht absehbar. Kein Wunder, dass die Stuttgarter derzeit wenig Lust verspüren, die notwendige Sanierung des benachbarten Opernhauses zu starten. Vielleicht haben ja ein paar Architekten des Bahnhofs Stuttgart 21 demnächst genug Freizeit, um die Sache anzugehen. In Wuppertal liegt das Problem weniger am Gebäude als am Sanierungsbedarf des legendären Tanzensembles von Pina Bausch. Die Truppe hat nach dem Tod ihrer charismatischen Chefin 2009 weltweit Auftritt an Auftritt gereiht - aber kaum Neues produziert. Die Rolle als Testamentsvollstrecker ist aber irgendwann ausgespielt. Der Tänzer Lutz Förster ist seit dieser Woche Chef und soll nun eine Neu-Ausrichtung realisieren. Ganz neu präsentiert sich auch Regiemagier Robert Wilson. Der Mann mit den eingefrorenen Bildern und den stilisiert-langsamen Bewegungen hat im Berliner Ensemble ausgerechnet das Märchen Peter Pan auf die Bühne gebracht - und wird gelobt für seine leichte Hand und seine verspielt-ironische Poesie. Tanz, Gesang und live gespielter Indie-Pop sorgen für ein ganz neues Wilson-Gefühl - und für entzückte Publikumsreaktionen. Wie letztere im Sommer ausfallen werden, wenn Bob Geldof mit seinen Boomtown Rats erstmals seit der Auflösung 1986 wieder auf Tour geht, bleibt erst einmal offen. Der "Live Aid"-Guru und "I Don\'t Like Mondays"-Held bringt die Originalbesetzung mit - und wie wir seit Montag wissen, gibt es auch einen einzigen Deutschland-Auftritt: Am 7. Juli beim Lausitzer Seenlandfestival in der Nähe von Hoyerswerda. Verwunderung über den abgelegenen Auftrittsort ist unangebracht: Immerhin hat Geldof auch schon in Konz gastiert. Dieter Lintz Weitere TV-Kolumnen auf www.volksfreund.de/kolumne

Meistgelesen
Neueste Artikel
Vom erwischt werden
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael BoltonVom erwischt werden
Zum Thema
Aus dem Ressort