Unterm Strich - Die Kulturwoche

Im Grunde ist 2013 kein Chagall-Jahr, weder ein Geburts- noch ein Todestag runden sich. Das hält die Franzosen nicht davon ab, einem ihrer Lieblingsmaler gleich drei große Ausstellungen zu widmen.

So zeigt das Pariser Musée du Luxembourg bis zum 21. Juli 100 Meisterwerke aus der Periode nach dem Zweiten Weltkrieg. Im Chagall-Museum von Nizza sind bis Mitte Mai 60 Zeichnungen, Gouachen und Collagen zu sehen. Danach machen sie Platz für eine Schau mit 100 Chagall-Selbstporträts. 2013 wird wohl weniger ein Chagall-Jahr als ein Jahr der Finanzkrise. Jedenfalls hat die Krise auch die Kunst erreicht, und immer öfter beschäftigen sich Theater, Museen und Aktionskünstler mit der Ökonomie. Nun hat der Boom sogar eine eher weltabgewandte Kunstform erreicht: In Görlitz feiert morgen die erste Oper zum globalen Finanzchaos Premiere. "Der Tod eines Bankers" stammt von dem Komponisten Andreas Kersting und dem Autor Fabian Scheidler - und spielt in dem fiktiven Land Ionien, das auch Zypern oder Griechenland heißen könnte. Es geht um die Blütenträume der Banker und die, die dafür zahlen müssen. Das kleine Görlitzer Theater profiliert sich unter Intendant Klaus Arauner seit Jahren mit aktuellen Produktionen. Der Schauspieler Hans-Michael Rehberg profiliert sich seit den 1960er Jahren an allen wichtigen Bühnen der Republik. Man bejubelt ihn in Berlin und Hamburg, München und Stuttgart, Salzburg und Wien. Er hat Hamlet und Mephisto gespielt, unter Regisseuren wie Zadek, Peymann, Flimm, Palitzsch, Neuenfels. Kurzum: er konnte seinen 75. Geburtstag am Dienstag im Bewusstsein feiern, einer der größten lebenden deutschen Mimen zu sein. Ist es da lustig oder tragisch, wenn ihm ein angemessener Bekanntheitsgrad hierzulande erst zuteil wird, seit er den Bischof Hemmelrath in der Fernsehserie "Pfarrer Braun" spielt, neben Ottfried Fischer? So kann\'s gehen: Der Schauspiel-Gigant vom Theater wird berühmt in der Flimmerkiste, und der Kino-Superstar sucht den Weg auf die Theaterbühne. Orlando Bloom, bekannt aus ´"Herr der Ringe" und "Fluch der Karibik", spielt - so berichtete die New York Times am Montag - ab dem Sommer am Broadway. Der Brite interpretiert, na klar, Shakespeare. Warum sich der 36-Jährige aber gerade den tragischen Jüngling Romeo ausgesucht hat, bleibt sein Geheimnis. Ob das die Midlifecrisis aufhält? Ein Geheimnis rankt sich auch um unsere großen Maler. Wer Georg Baselitz ist und warum er so malt, wie er malt: Diese Fragen versucht ein Dokumentarfilm zu klären, der nun in die Kinos kommt. Evelyn Schel erkundet den Meister - und hat dabei dem scheinbar raubeinigen Einzelgänger einiges entlockt. Sagt die eine Hälfte der Kritiker. Die andere Hälfte spricht von "bildungsbürgerlichem Lobgesang", was in diesem Fall mitnichten lobend gemeint ist. Kunst ist halt letztlich Vertrauenssache. Das gilt verschärft für den Bochumer Aktionskünstler Matthias Schamp. Er verkauft für 20 Euro pro Stück "Buhs in Tüten", will heißen: Missfallenskundgebungen, die er zuvor selbst in die Tüte hineingerufen hat. Ideal für feige Bildungsbürger: Missfällt ihnen etwa eine Theatervorführung, können sie eine Tüte öffnen und das Buh entfleuchen lassen - selbstverständlich völlig geräuschlos. Dieter Lintz Weitere TV-Kolumnen auf www.volksfreund.de/kolumne

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