Unterm Strich - Die Kulturwoche

Trier · Meinung Epidaurus ohne Theater, Fidelio ohne Beethoven, Simon ohne Garfunkel Um ein Haar hätte die Griechenland-Krise das Theater-Festival im antiken Theater von Epidaurus ruiniert. Diese Woche fiel das Programm den Protest-streiks der Schauspieler und Bühnenarbeiter zum Opfer - es drohte das Aus für die komplette Saison.

Nun hat das Kulturministerium durch "Sonderregelungen" weitere Ausstände in diesem Sommer abgewendet. Was 2012 passiert, wenn Epidaurus im Zuge der Staatssanierung vielleicht an einen weißrussischen Ölmagnaten oder einen Ärzte-Immobilienfonds aus Wanne-Eickel verkauft wird, weiß höchstens das Orakel von Delphi. Falls es bis dahin nicht einer Rating-Agentur gehört. In Bayreuth wird nicht gestreikt. Zehn Tage vor der Premiere des neuen Tannhäuser laufen die Schlussproben von Regisseur Sebastian Baumgarten auf Hochtouren. Sein Bayreuth-Debüt sorgt ebenso für Spannung wie das erste Gastspiel von Dirigent Thomas Hengelbrock, einem gerühmten Spezialisten für Alte Musik, von dem man neue Wagner-Impulse erhofft. Das Neulingstrio komplettiert der schwedische Tenor Lars Cleveman in der Titelpartie. Die Hauptrolle bei "Fidelio" im Rahmen der Münchener Opernfestspiele übernahm in diesem Jahr Thomas Gottschalk. Nein, keine Angst, er sang nicht, er moderierte nur die Live-Übertragung der Aufführung vor 10 000 Besuchern auf dem Opernplatz. Über die Inszenierung des skandalträchtigen Regisseurs Calixto Bieito redete hinterher ebenso niemand wie über die Leistungen von Sänger-Star Jonas Kaufmann. Die Scherzchen des "Wetten, dass..?"-Auslaufmodells und der Wolkenbruch gegen Ende der Veranstaltung lieferten auch so genug Schlagzeilen. Wer interessiert sich da noch für Beethoven? Nachhaltige Bühnenkunst sieht anders aus. Das legendäre US-Tanztheater Alvin Ailey setzt auch 22 Jahre nach dem Tod seines Namensgebers immer noch Maßstäbe. Die Pioniere des Modern Dance mit afroamerikanischen Einflüssen eröffneten mit einem gefeierten Debüt in Berlin am Dienstag ihre Deutschland-Tour. Im August sind sie an 20 Abenden in Köln und Frankfurt zu sehen. Auf ähnliche Präsenz auch nach seinem Tod darf der französische Tänzer und Choreograph Roland Petit rechnen. Er sei "eine prägende Figur des Tanzes im 20. Jahrhundert" gewesen, resümierte kein Geringerer als Staatspräsident Sarkozy. Petits Ballette waren und sind weltweit zu sehen. Er starbam Sonntag,87-jährig, in Genf. Petit galt als eleganter Stilist, aber nie als Revoluzzer. Regisseur Jürgen Flimm hingegen ging einst der Ruf eines jungen Wilden des 68er-Regietheaters voraus. Aber anstatt Theater in die Luft zu sprengen, wurde er dann doch lieber Intendant, drückte dem Hamburger Thalia ebenso seinen Stempel auf wie den Salzburger Festspielen. Inzwischen ist er Professor, Ehrendoktor und Bundesverdienstkreuzträger. Eine deutsche Karriere. Am Sonntag feiert Jürgen Flimm seinen 70. Geburtstag. Überhaupt, diese Siebziger: Flimms Altersgenosse Paul Simon zelebrierte am Montag in Berlin ein Live-Konzert der Sonderklasse. Kritiker schwärmten von der "ewig jungen Stimme" - und Art Garfunkel soll übrigens niemand vermisst haben. Dieter Lintz

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