Unterm Strich - Die Kulturwoche

Über die Frage, was eigentlich Kultur ist und was nicht, kann man trefflich streiten. Seit Mittwoch wissen wir immerhin, was die Kulturminister der deutschen Bundesländer alles so dazurechnen.

Sie sollten nämlich auflisten, welche Bräuche und Traditionen sie in das "immaterielle Kulturerbe" der Unesco aufgenommen wissen wollen. Wenn demnächst die Gutachter der Welt-Kulturorganisation untersuchen, welche zwei Vorschläge aus Deutschland einen begehrten Listenplatz ergattern, werden sie Kopf und Bauch gleichermaßen strapazieren müssen. Denn zu den Vorschlägen gehören Kulturgüter wie das Norddeutsche Grünkohlessen, das nach Reinheitsgebot gebraute Bier, das Skatspiel, der Hamelner Rattenfänger und der rheinische Karneval. Wie sagte Friedrich Hebbel: "Die Höhe der Kultur ist die einzige, zu der viele Schritte hinaufführen und nur ein einziger herunter." Dass es von der erhabenen Kultur-Kultstätte zur Pannen-Baustelle manchmal auch nur ein Schritt ist, erlebt derzeit die Berliner Staatsoper. 2013 sollte sie nach einem 300 Millionen Euro teuren Umbau wieder eröffnet werden. Aktueller Stand seit Mittwoch: Die Berliner Senatsbaudirektorin verkündet, sie sei "zuversichtlich", bis Ende des Jahres 2014 in etwa einschätzen zu können, wann in den nächsten Jahren der Bau tatsächlich fertig werden könnte. Vielleicht gelingt es den Herrschaften ja, die Wiederinbetriebnahme zeitlich mit der ersten Landung auf dem Berliner Willy-Brandt-Flughafen zu synchronisieren. Nach der Bruchlandung von Intendant Matthias Hartmann auf der Wiener Burg treffen sich der Theatermacher und sein Ex-Arbeitgeber seit Dienstag vor Gericht. Es geht um zwei Millionen Euro Schadenersatz, den Hartmann für die Kündigung seines bis 2019 laufenden Vertrags fordert. Um auf solche Summen zu kommen, müsste ein armer Trierer Theaterintendant wohl mindestens aus einem 20-Jahre-Vertrag fliegen. Manchmal ist es die Location, die die Besonderheit von Kultur ausmacht. Wie in Cottbus, wo morgen eine Fidelio-Premiere der ganz ungewöhnlichen Art angesagt ist. Die Beethoven\'´sche Freiheitsoper wird auf dem Gelände des ehemaligen Zuchthauses gespielt, wo zu DDR-Zeiten viele politische Häftlinge einsaßen. Einige von ihnen singen nun im Gefangenenchor aus Fidelio mit. Wenn Oper auf Leben trifft ... Mancher ist auch heute noch lebendig, obwohl sein Wirken bereits zwei Jahrhunderte zurückliegt. Friedrich Silcher zum Beispiel, Geburtshelfer des deutschen Volkslieds. Er besang das Rätsel um die Loreley so gekonnt wie das weihnachtsabendliche "Alle Jahre wieder", freute sich über den gekommenen Mai und die ausschlagenden Bäume, schrieb für Elvis Presley "Muss i denn zum Städtele hinaus". Ein Mann des gehobenen Schlagers sozusagen, und der Miterfinder der deutschen Chorbewegung.Heute vor 225 Jahren wurde Silcher im Remstal geboren. Dieter Lintz Weitere Kolumnen auf www.volksfreund.de/kolumne

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