Unterm Strich - die Kulturwoche

Vorsicht beim Frühjahrsputz! Was heute Schrott ist, kann schon morgen ein Schatz sein. In Berlin holt das Museum in der Spandauer Zitadelle entsorgte Denkmäler wieder ans Licht.

Abgebrochene Nasen, fehlende Arme - Macken sind für Museumsleiterin Andrea Theissen kein Hindernis, um jetzt ein Stück Berliner Geschichte anschaulich zu machen. Auch ein tonnenschwerer Lenin-Kopf aus Granit ist dabei. Nach jahrelangem Ringen wird die große Ausstellung "Enthüllt. Berlin und seine Denkmäler" am 28. April in der Hauptstadt eröffnet. Die Dauer-Schau präsentiert entsorgte Exponate vom 18. Jahrhundert bis zur Wiedervereinigung. Um den Lenin-Kopf hatte es ein langes Hickhack gegeben. Er ist Teil eines monumentalen DDR-Denkmals, das nach dem Mauerfall abgebaut, in mehr als 100 Teile zerlegt und am südöstlichen Stadtrand der Hauptstadt verbuddelt worden war. In einer spektakulären Aktion wurde der dreieinhalb Tonnen schwere Granitschädel im Vorjahr geborgen und zur Zitadelle gebracht. Das gegenteilige Schicksal droht nun den Exponaten im Düsseldorfer Museum Kunstpalast. Rund 20 Jahre lang hatte der Energieriese Eon die Einrichtung finanziert und überregional beachtete Ausstellungen ermöglicht - von Altmeistern wie El Greco oder Francisco de Zurbarán bis zu modernen Foto- und Filmkünstlern wie Andreas Gursky und Wim Wenders. Nun steckt Eon in der Krise und steigt aus der vielgepriesenen öffentlich-privaten Partnerschaft aus. Ende 2017 soll Schluss sein mit der Förderung. Kurz vorher wird sich auch noch der Schweizer Direktor Beat Wismer verabschieden, der große Künstler in den kleinen Kunstpalast geholt hatte. Was tun? Vielleicht macht ja die Aktion Schule, die sich das Ludwigshafener Wilhelm-Hack-Museum ausgedacht hat. Weil es sich gern ein Gemälde von Ernst Ludwig Kirchner (1880-1938) kaufen möchte, hat es zu Spenden aufgerufen -, und siehe da, über Ostern haben sich gleich einige Besucher spendabel gezeigt! Laut Museumschef René Zechlin lief das Geldsammeln "sehr erfreulich" an. "Ehrlich gesagt hatten wir das so schnell nicht erwartet." Gespendet haben nach seinen Angaben Privatleute. Das Kirchner-Bild "Urteil des Paris" hängt zwar im Museum, gehört aber der Erbin der Kunstsammlung Hess. Mit ihr wurde vereinbart, dass ihr entweder ein einstelliger Millionenbetrag gezahlt wird oder dass sie das Bild zurückerhält, falls die Summe nicht zusammenkommt. Neue Wege schlagen auch Filmregisseur Wim Wenders und die russische Starsopranistin Anna Netrebko ein. Wenders inszeniert mit 70 Jahren erstmals ein Stück für die Berliner Staatsoper. Die Oper "Les pêcheurs de perles" (Die Perlenfischer) von Georges Bizet soll am 24. Juni 2017 Premiere feiern. Generalmusikdirektor Daniel Barenboim wird dirigieren. Mit Wenders habe Barenboim "nun schon einen langen Flirt", sagte Intendant Jürgen Flimm. Jetzt hätten sie Wenders so weit, dass er mit ihnen arbeite. Flimm erzählte, Wenders habe sich die Oper von Bizet ausgesucht, weil es die erste Oper sei, die er gesehen habe.Ursprünglich war der Filmemacher auch mal für eine Neuinszenierung von Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" bei den Bayreuther Festspielen 2013 im Gespräch gewesen, der Vertrag kam aber nicht zustande. Anders Anna Netrebko. Die 44-jährige Starsopranistin feilt vor ihrer ersten großen Wagner-Rolle als Elsa im "Lohengrin" noch an ihrem Deutsch. "Für mich ist insbesondere die Sprache eine sehr große Herausforderung", sagte sie. "Ich habe mir den ganzen April freigehalten zur Vorbereitung der Partie mit meinen Coaches." Netrebko debütiert am 19. Mai an der Dresdner Semperoper in der Rolle. Dirigent ist Christian Thielemann, die Titelrolle übernimmt der polnische Tenor Piotr Beczala. Sie freue sich sehr auf das Debüt, sagte Netrebko. "Ich liebe Wagner! Ich mag einfach seine Opern sehr und könnte mir diese Musik stundenlang anhören." Aus der Elsa werde sie "einen starken Charakter formen können", sagte sie. In die Vergangenheit blicken auch die Macher des berühmten Theaterfestivals von Avignon für das 70-jährige Bestehen in diesem Jahr. Eröffnet wird es mit "Die Verdammten" nach dem gleichnamigen Film von Luchino Visconti. Die Neuinszenierung des belgischen Regisseurs Ivo Van Hove wird am 6. Juli uraufgeführt. Gespielt wird das Politdrama, in dem es um den Aufstieg des Nationalsozialismus geht, von Schauspielern der berühmten Comédie Française. dpa/aheu

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Alles, fast
Alles, fast
Vinyl der Woche: I’d Do Anything for Love – Meat LoafAlles, fast
Aus dem Ressort