Unterm Strich - die Kulturwoche

Um die Kultur und ihre Ausstattung wird allerorten gestritten, nicht nur in Trier. Berlin lebt von seiner Kultur.

Architektur, Museen, Theater - keine andere deutsche Stadt kann mit einem so hochkarätigen Kulturangebot aufwarten wie Berlin. Doch gerade hier türmen sich derzeit die Probleme. Und je nach weiterer politischer Entwicklung bei den Koalitionsverhandlungen in der Hauptstadt droht Künstlern und Kulturakteuren so mancher Knatsch. Gleich drei Leuchtturm-Institutionen wehren sich gegen die ihnen verordnete Zukunft. Am Berliner Ensemble, der einstigen Bühne von Bertolt Brecht, will es der 2017 scheidende Platzhirsch Claus Peymann seinem Nachfolger Oliver Reese erklärtermaßen "möglichst schwermachen". An der Volksbühne tobt ein Stellungskrieg gegen den als Erben von Langzeit-Intendant Frank Castorf designierten Museumsmacher Chris Dercon. Und das Staatsballett lehnt die international renommierte Choreographin Sasha Waltz, die das Publikum aus der Region Trier regelmäßig im Grand théâtre in Luxemburg erleben konnte, als künftige Chefin rundweg ab. Das dortige Ensemble sammelte Unterschriften gegen ihre Besetzung, die Gräben scheinen unüberbrückbar. Sasha Waltz gehört zu den Lieblingen der internationalen Tanzszene. Die Tänzer des Berliner Staatsballetts lehnen die vom Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) als Compagniechefin vorgeschlagene Waltz ab, weil sie als Vertreterin des modernen Tanztheaters für klassisches Ballett völlig ungeeignet sei. Aber erst mal geht's ums Grundsätzliche: Der 2017 auslaufende Hauptstadtkulturvertrag muss verlängert werden. Er regelt, wie viel Geld das Land Berlin für national wichtige Aufgaben vom Bund bekommt. Künftig soll es einen zweistelligen Millionenbetrag zusätzlich geben, dafür will sich der Bund an Institutionen wie den Berliner Philharmonikern beteiligen. Der neue Vertrag war schon fast unter Dach und Fach. Jetzt muss je nach den Vorstellungen der neuen Koalitionspartner nochmal neu verhandelt werden. Für das Humboldt-Forum im Berliner Schloss will Gründungsintendant Neil MacGregor Anfang November sein mit Spannung erwartetes Gesamtkonzept vorlegen. Das für 590 Millionen Euro geplante Museumszentrum ist derzeit das größte Kulturprojekt des Bundes, aber Berlin ist mit Geld und einer eigenen Ausstellung beteiligt. Ende Oktober soll der Architektenwettbewerb für das neue Museum der Moderne entschieden werden. Das auf 200 Millionen Euro veranschlagte Haus für die Kunst des 20. Jahrhunderts ist ebenfalls ein Bundesprojekt. Doch Berlin stellt kostenlos einen Teil des Grundstücks und ist für das Baurecht verantwortlich. Es gäbe immer noch die Chance, das derzeitige Ödland zwischen den Architektur-Ikonen der Berliner Philharmonie und der Neuen Nationalgalerie für einen größeren städtebaulichen Wurf zu nutzen. Ein Neubau für die deutschlandweit größte Publikumsbibliothek war das große Prestigeprojekt des früheren Regierungschefs Klaus Wowereit (SPD). Mit einem Nein zum Standort Tempelhofer Feld machten ihm die Bürger 2014 per Volksentscheid einen Strich durch die Rechnung. Seither werden Alternativen geprüft, während die bisher auf zwei Häuser verteilte Zentral- und Landesbibliothek weiter aus allen Nähten platzt. Mehr als 6000 Künstler leben in der Stadt, unzählige freie Initiativen prägen die Szene. Sie geraten durch steigende Mieten und Verdrängungswettbewerb in den Kiezen zunehmend unter Druck. Die sogenannte Koalition der Freien Szene fordert deshalb, die Millionen-Einnahmen aus der Bettensteuer (City Tax) zu 100 Prozent der Kultur zukommen zu lassen. Im Wahlkampf gab es bei Roten, Linken und Grünen positive Signale - ob es jetzt dazu kommt? Insgesamt ist der finanzielle Spielraum für den neuen Kultursenator im notorisch klammen Berlin aber gar nicht so schlecht. Der Kulturetat steigt in diesem Jahr um 33 Millionen auf gut 505 Millionen Euro, im kommenden Jahr gibt es nochmals einen Zuschlag von 17 Millionen. Von solchen Geschenken kann man in Trier nur träumen. aheu/dpa

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