Unterm Strich - Die Kulturwoche

Als eifriger Leser, als emsige Leserin der "Kulturwoche" wissen Sie längst, dass in diesen Spalten, mal zwei, mal drei, heute mal fünf hier nichts von dem kommt, was Sie eigentlich erwarten. Diese Zeilen sind, das möchten wir in aller Bescheidenheit einmal festhalten, Ihre freitägliche Wundertüte, ein explosives Überraschungspaket, ein Füllhorn der Verblüffung.

Hier tummeln sich Themen, von denen Sie nicht einmal gewusst haben, dass es sie überhaupt gibt. Zugegeben, das ist der Idealfall, den wir einmal wöchentlich zu erreichen versuchen. Mal schauen, ob's uns heute gelingt. Was Sie deshalb hier auf keinen Fall zu lesen bekommen: Jahresrückblicke und Jahresvorschauen; die Toten von 2016 und die Lebenden von 2017, die Sportler des Jahres und die Doper des Jahrzehnts. Nein, hier und jetzt soll es um Versicherungen gehen - jenen Institutionen also, die bei strahlendem Sonnenschein Regenschirme an ihre Klientel austeilen und sie bei Regenwetter wieder zurücknehmen. Soll heißen: Zahlen wollen die grundsätzlich nicht, und wenn, am liebsten kaum etwas, und wenn überhaupt, dann äußerst ungern. Umso großzügiger können sie sich dann bei fiktiven Schäden geben, die niemals eingereicht wurden und die auch niemals zu begleichen sind. Daher hat die Münchner Allianz mit Feuereifer, weil es sie schließlich keinen Cent kostet, ausgerechnet, welche Summe zu bezahlen wäre, wenn Miss Sophie die Schäden, die bei der Feier zu ihrem 90. Geburtstag vom zunehmend unzurechnungsfähigeren, weil immer trunkener werdenden Butler James beim legendären "Dinner for One" angerichtet wurden, der Versicherung gemeldet hätte. Ergebnis der intensiven Recherchen des Versicherers: Der Hausdiener sorgt während der relativ einsamen Fete für einen Schaden von 2120 Euro. Teuerster Posten sei das Tigerfell mit Reparaturkosten von rund 2000 Euro, teilt die Allianz mit. Zudem sei der Teppich stark ramponiert und die Tischdecke mit Wein- und Speiseflecken übersät. Sprachen wir weiter oben von großzügig? Nun, das war wohl etwas übereilt, denn die Aufstellung der zu begleichenden Summe bedeutet nicht notwendigerweise, dass sie auch tatsächlich beglichen wird - wir haben es hier schließlich mit einer Assekuranz zu tun! Der Münchner Konzern hat natürlich selbst für diesen bloß angenommenen Fall zahlreiche Hintertürchen im Kleingedruckten, die eine Begleichung der Summe wenn nicht grundsätzlich verwehrt, so doch mit Hilfe geschickt aufgestellter Hürden auf dem Weg zum Ziel erschwert. "Als Angestellter von Miss Sophie sind die Missgeschicke von Butler James als Eigenschäden der Arbeitgeberin anzusehen und damit nicht versichert", wehrt eine Sprecherin des Konzerns die Ansprüche der Geschädigten erst einmal ab. Und argumentiert weiter: Da sich der Butler während des Menüs mit Sherry, Weißwein, Champagner und Portwein betrinkt, gelte er als Wiederholungstäter. Geschäftstüchtig, wie solche Unternehmen nun einmal sind, will man allerdings auch auf eine solch unberechenbare Klientel nicht verzichten: "Aus versicherungsrechtlicher Sicht müssten wir natürlich überlegen", heißt es aus der Presseabteilung weiter, "zu welchen Konditionen wir ihn künftig versichern." Das wäre dann allerdings eindeutig ein Problem, dem sich der Versicherer und der Versicherungsnehmer erst im nächsten Jahr stellen müssten, denn der Schaden kann ja frühestens am 31. Dezember nach Ausstrahlung der Sendung gemeldet werden. Und damit wären wir bereits im nächsten Jahr angelangt, für das wir Ihnen an dieser Stelle alles Gute wünschen. Wir haben übrigens auch einen Wunsch an Sie: Bleiben Sie uns gewogen. Interessierte Leser(innen) sind ein kostbares Gut. Wir wissen es zu schätzen! no/dpa

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