Unterm Strich - die Kulturwoche

Gutes kommt wieder. Aber dazu muss es vorher erstmal weg sein.

Wie der Sänger Ed Sheeran beispielsweise, der kehrt jetzt nach eineinhalb Jahren selbst gewollter Pause wieder in das Musik-Business zurück. Er habe reisen wollen, um ein neues Album zu erarbeiten. Luftveränderung. Eben mal weg sein, um dann mit neuem Schwung, neuer Kraft und neuen Ideen zurückzukommen. Aber zwischen dem Abschied und dem Wiedersehen steht erstmal eine Zeit des (Ver-)Missens. Freunde der Mannheimer Kunsthalle werden diese voraussichtlich bis Weihnachten dieses Jahres vermissen müssen. Der Museums-Neubau, bei dem ein Atrium mit Glasdecke und eine Fassade mit filigranem Metallgewebe sowie eine große Terrasse gebaut werden sollen, kann nicht neben dem laufenden Betrieb erfolgen. "Wir wollen ein modernes Museum sein und kein verstaubter Laden", meint Direktorin Ulrike Lorenz: "Der Neubau ist ein Entwurf in die Zukunft und ein wahnsinnig lebendiges architektonisches Haus." Aber um in die Zukunft aufbrechen zu können, muss erstmal alles stillstehen. Altes muss abgetragen werden, Neues drauf gehämmert, gezimmert und genagelt. Kein schöner Prozess. Krísis nannten die alten Griechen es, wenn etwas zur Entscheidung kam: Man entschied sich für eine Sache und trennt sich damit von der anderen Option. Aus krísis wurde das heutige Wort "Krise" und beschreibt den leidlichen Vorgang, bis etwas von dem einen Zustand, vom dem man sich verabschieden möchte (oder muss), in einen neuen (hoffentlich erwünschten oder wenigstens erträglichen, aber auf jeden Fall anderen) Zustand übergegangen ist. Eine solche Krise erlebt die Porzellanbranche gerade. Die hat in Zeiten der Globalisierung ganz schön zu kämpfen, ein Museum in Selb in Oberfranken will nun mit zwei Sonderausstellungen dagegenhalten. "Wir wollen neue Kreativität zulassen", sagte der Direktor des staatlichen Porzellanikons in Selb und Hohenberg an der Eger, Wilhelm Siemen. "Shaping the Future" und "Spielraum" heißen die beiden Schauen, die am Selber Standort vom 19. Januar an zu sehen sein werden. Piper-Verlegerin Felicitas von Lovenberg sieht Krisen eher positiv entgegen - zumindest in schriftstellerischer Hinsicht: "Wenn der Wohlfühl-Kokon aufbricht, ist das für die literarische Produktion oft ergiebig." Ein Zerbrechen des Wohlfühl-Kokons kann hingegen die gegenteilige Wirkung haben. Wie bei der türkischen Schriftstellerin Asli Erdogan, die hofft, nach ihrer viereinhalbmonatigen Inhaftierung irgendwann wieder schreiben zu können. "Nun kann ich nichts mehr erzählen, nicht einmal mir selbst, mein Herz ist wie gehobelt, mein Mund voller Späne", schreibt sie aus ihrer Haft. Vielleicht kann sie eines Tages wiederkommen mit neuen Ideen, neuer Kraft und Kreativität. Wie Ed Sheeran. sbra/dpa

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