Unterm Strich - Die Kulturwoche

Die Personalie der Woche tickerte gestern über die Agenturen: Der Friedenspreis des deutschen Buchhandels, die wichtigste Ehrung an der Nahtstelle von Kultur und Politik, geht in diesem Jahr an die weißrussische Schriftstellerin Swetlana Alexijewitsch. Nach dem Chinesen Liao Yiwu und dem Algerier Boualem Sansal wird zum dritten Mal in Folge eine Oppositionelle aus einem autoritär regierten Land ausgezeichnet.

Die Werke der 65-Jährigen sind in ihrer Heimat verboten. Eine neue Heimat wird sich die Saarbrücker Ballettdirektorin Marguerite Donlon suchen müssen. Die Irin, seit zwölf Jahren mit ihren Tänzern als Aushängeschild des Hauses gefeiert, suchte den Machtkampf mit Intendantin Dagmar Schlingmann - und verlor. Donlons Forderung, die Tanztruppe als vom Theater unabhängige European Dance Company Saar aufzustellen, wurde von der Politik abgeschmettert. Nun verlässt sie, wie am Dienstag mitgeteilt wurde, das Haus zum Saisonende, quasi Hals über Kopf. Was selbst für geübte Tänzer eine unerquickliche Haltung sein dürfte. Dabei hätte es am gleichen Tag Grund zum Feiern gegeben. Die 13 000 Tänzer, Schauspieler und Sänger an deutschen Bühnen, ein notorisch unterbezahlter Teil der Theaterszene, bekommt Lohnerhöhungen. An den armen Kommunaltheatern allerdings nur 1,65 Prozent rückwirkend zum Jahresbeginn und zum 1. Oktober weitere 1,18 Prozent. Was sich noch einmal deutlich relativiert, wenn man weiß, dass die Mindestgehälter etwa für Solokünstler bei 1400 Euro brutto (!) liegen. Das gilt allerdings nur für den, der den Hamlet spielt. Der Hausmeister verdient wesentlich mehr. Ob Bundestagspräsident Norbert Lammert daran gedacht hat, als er vergangenen Samstag die 63. Bad Hersfelder Festspiele eröffnete? Der Staat sei zuständig für die Bedingungen, unter denen Kultur stattfinde, sagte der Politiker und bekennende Kulturfreund, und Kunst sei "keine sympathische Nische, sondern die Hauptsache". Was eindrucksvoll demonstriert, dass man Sonntagsreden auch an Samstagen halten kann. Eröffnet wurden die Festspiele übrigens mit Lessings "Nathan der Weise". Sagte der nicht zum Derwisch sinngemäß, dass beim Geld die Freundschaft endet? Da setzt nun manche deutsche Kommune darauf, statt neue Kunst neu einzukaufen, lieber die alte wieder ansehnlich zu machen. So hat Duisburg gestern feierlich eine U-Bahn-Station enthüllt, die Gerhard Richter Ende der 1989er Jahre mit einer - seither kaum beachteten - Groß-Wandmalerei verziert hatte. Bochum will eine Stahlskulptur von Richard Serra aufbereiten, Marl ein Werk von Wolf Vostell. Sofern man Rost und Unkraut entfernen kann. Dieter Lintz Weitere TV-Kolumnen auf www.volksfreund.de/kolumne

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