Unterm Strich - Die Kulturwoche

Das Bildungsbürgertum verliert seine letzten Bastionen: Der Bayerische Rundfunk will sein BR-Klassik-Programm auf Digital-Empfang eindampfen und die populären UKW-Frequenzen für den Jugendkanal "Plus" nutzen. Dagegen lief diese Woche der Deutsche Kulturrat Sturm, weil er einen "massiven Hörerverlust" befürchtet.

Der BR verwies dagegen auf seine Aufgabe, sein Programm "für das Digitalzeitalter fit zu machen". Gelegentlich gibt es freilich auch noch Leute, die glauben, es sei die vorrangige Aufgabe der Kultur, das jeweilige Zeitalter kritisch zu durchleuchten. Zum Beispiel am Staatstheater Karlsruhe, wo am Samstag das Stück "Rechtsmaterial" über die Terroristen des NSU uraufgeführt wurde. Regisseur Jan-Christoph Gockel und Autor Konstantin Küspert vermischen dabei Szenen aus dem Original-Nazi-Propagandastück "Schlageter" mit der Darstellung des NSU, versäumen aber auch nicht, auf die fremdenfeindlichen Ausschreitungen von Rostock und die kaum weniger skandalösen Äußerungen mancher Politiker in der Asyldebatte der frühen 1990er Jahre hinzuweisen. Ganz so vordergründig-politisch ist Heiner Goebbels nicht. Doch der Komponist und Direktor der Ruhrtriennale hat einen präzisen Blick auf die Gesellschaft. Das wird auch bei seiner letzten Triennale so sein, deren Programm er diese Woche vorstellte. Vom 15. August bis 28. September werden 30 Produktionen mit 150 Aufführungen zu sehen sein, darunter Goebbels\' Orchesterzyklus "Surrogate Cities" als inszeniertes Musiktheater. Mit Romeo Castellucci, Boris Charmatz und Saburo Teshigawa gastieren spektakuläre Regisseure und Choreographen. Das hat auch mit Personenkult zu tun, aber dieses Phänomen existiert schon lange. Was eine gerade gestartete Ausstellung des Kaiserpfalz-Museums in Ingelheim dokumentiert: Es geht um Karl den Großen und seine Präsenz als "History-Star" in der Gegenwart. Unter den 100 Exponaten sind Briefmarken, Skatspiele, Gemälde und Münzen. Das Konterfei von Henning Venske wird wohl nie auf einer Briefmarke zu sehen sein. Dafür hat der Hamburger Kabarettist die Großen und Mächtigen zu sehr geärgert. Ein zorniger Mann, ein exponierter Linker, der Musiksendungen wie "Studio B" ebenso prägte wie die Sesamstraße und die Münchner Lach-und Schießgesellschaft. Gestern wurde er 75 Jahre alt. Venske feiert, Rheinland-Pfalz auch - nämlich den Kultursommer, der am 9. Mai in Hachenburg eröffnet wird. Diese Woche wurde das Programm des Eröffnungswochenendes verraten: Den Auftakt macht Wir-sind-Helden-Sängerin Judith Holofernes mit einem Gratiskonzert. Dieter Lintz Weitere TV-Kolumnen auf www.volksfreund.de/kolumne

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