Unterm Strich - Die Kulturwoche

Es war ein außergewöhnliches Zeichen, das der renommierte Pianist Krystian Zimerman diese Woche bei einem Konzert des Klavierfestivals Ruhr in Essen setzte: Weil ihn ein per Handykamera mitfilmender Besucher nervte, verließ er mitten in einem Stück wütend die Bühne. Später erklärte er dem Publikum, er habe schon viele Plattenprojekte und Kontakte verloren, weil sich illegale Aufnahmen seiner Konzerte auf YouTube befunden hätten.

Bundesweit bekam der stinksaure Tastenvirtuose Zuspruch von anderen Musikern, die ihre Rechte und Interessen vom Internet hinweggespült sehen. Immerhin kamen seine Zuhörer dennoch in den Genuss des kompletten Konzerts. In Halle wurden dagegen gleich die gesamten Händel-Festspieleweggespült. Allerdings nicht von Raubkopierern, sondern von den Wassermassen der Saale. Gestern sollte das zehntägige Festival mit zahlreichen internationalen Stars beginnen, 40 000 Besucher wurden erwartet. Nun wollen sich die Hallenser auf den Kampf gegen das Wasser konzentrieren. In Hamburg blieben Elbe und Alster friedlich, und so konnte man sich dort auf eine Flut ganz anderer Art konzentrieren: Die Staatsoper bot alle zehn Hauptwerke von Richard Wagner innerhalb von 20 Tagen. Der Marathon von Holländer bis Parsifal, inklusive des kompletten "Rings", umfasste eigens wieder aufpolierte Inszenierungen aus den vergangenen 25 Jahren. Die scheidende Intendantin Simone Young wurde für die "Wagner-Wahn" genannte Reihe frenetisch gefeiert. Kein Wunder, dirigierte sie doch alle zehn Aufführungen höchstpersönlich. Den Härtetest, der am Sonntag endete, soll sie - ebenso wie das Publikum - ohne größere Schäden überstanden haben. Extreme Festivalhopper konnten in der Hansestadt gleich zum nächsten Mammut-Spektakel wechseln: Seit Dienstag finden dort die deutschlandweiten "Privattheatertage" statt. Zwölf herausragende Produktionen deutscher Privatbühnen konkurrieren um den "Monica-Bleibtreu-Preis". In Deutschland gibt es immerhin 280 Theater, die nicht in staatlicher oder kommunaler Hand sind. In Frankreich pflegt der Staat zwar weniger Kultureinrichtungen zu fördern als in Deutschland, aber wenn, dann opulent. Neuester Beweis: das Museum für die Zivilisationen Europas in Marseille. Ein architektonisches Wunderwerk, in schönster Lage direkt am Mittelmeer, für 190 Millionen Euro gebaut: Ab heute ist das "Mucem", wie das populäre Kürzel lautet, für das gemeine Publikum geöffnet. Es soll, so Direktor Bruno Suzzarelli, "sowohl ein Museum für schöne Künste als auch für Ethnologie sein". Ob man den Gesang von Bruce Springsteen unter die schönen Künste rechnet, ist Geschmackssache. Fest steht: Der Amerikaner ist einer der größten und authentischsten Stars der Rockmusik. Das wird auch in einem neuen Buch deutlich, dass "New Yorker"-Chefredakteur David Remnick geschrieben hat und das dieser Tage unter dem fantasiereichen Titel "Über Bruce Springsteen" in Deutschland erscheint. Kritiker beschreiben das Porträt des Boss\' als "lebendig, informativ und fesselnd". Dieter Lintz Weitere TV-Kolumnen auf www.volksfreund.de/kolumne

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