Uraufführung von Bernd Bleffert: Die Kugel bestimmt die Musik

Trier · Nikolaus von Kues\' philosophisches Kugelspiel "Ludus Globi" von 1462 hat der Trierer Klangkünstler Bernd Bleffert als Vorgabe für ein musikalisches Planspiel mit Namen "Ludus Globuli" genommen. Bei der Uraufführung im Museum am Dom erlebten 120 Zuschauer ein spannendes Musikwerk mit Performance-Charakter.

 Immer wieder versetzt Bernd Bleffert (im Vordergrund) die Kugel in Bewegung – und startet damit ein neues musikalisches Zufallsprodukt. TV-Foto: Anke Emmerling

Immer wieder versetzt Bernd Bleffert (im Vordergrund) die Kugel in Bewegung – und startet damit ein neues musikalisches Zufallsprodukt. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Der aus Bernkastel-Kues stammende Theologe Nikolaus von Kues entwarf im 15. Jahrhundert ein Kugelspiel mit philosophischer Dimension, "Ludus Globi". Er hatte entdeckt, dass eine angeschnittene, halb ausgehöhlte Kugel beim Rollen niemals einer zielgerichteten geraden Bahn folgt. Sie legt vielmehr spiralförmige Wege zurück. Von Kues setzte die unvollkommene Kugel mit dem Menschen und seinem Bemühen gleich, eins mit dem Göttlichen zu werden.
Er ließ sie über ein Spielfeld aus zehn konzentrischen Kreisen rollen, die den Kosmos und verschiedene Erkenntnisebenen symbolisieren. Damit veranschaulichte er, dass der Mensch mit seinen begrenzten Möglichkeiten den Weg zu Mitte und Einsicht nur durch immer neuen Versuch und Zufall findet.
Der Trierer Klangkünstler Bernd Bleffert beschäftigt sich nach eigenem Bekunden schon lange mit diesem Spiel und den zwei Schriften, die von Kues 1462 und 1463 dazu in Dialogform verfasst hat. Ihn fasziniert vor allem das Zusammenspiel von Zufälligkeit und übergeordneter Struktur. Und das hat er nun aus dem philosophischen in den musikalischen Kontext übertragen: Im Museum am Dom liegt ein Spielplan von fünf Metern Radius, dessen Kreisfläche in zwölf Teile gegliedert ist, die den Tönen der chromatischen Tonleiter zugeordnete sind. Zwei Hauptachsen teilen die Fläche in vier Quartale, auf ihnen sind vier sich schneidende Kreise konstruiert. Auf Höhe jedes Quartals sitzt ein Musiker - Cellist Martin Sons, Bassist Ulrich Philipp sowie die Klarinettisten Martin Speicher und Markus Eichenberger.
Bernd Bleffert bringt auf dem Spielfeld eine ausgehöhlte, angeschnittene Steinkugel ins Rollen. Je nachdem, über welche Felder sie sich spiralförmig bewegt, stimmen die ihnen zugeordneten Instrumente Harmonien in den aufgezeichneten Tonarten an. Ergänzt werden ihre Klänge durch Perkussion von Thorsten Gellings und Gesang der Solisten Irene Kurka, Ansgar Eimann, Alexander Schmitt sowie Sängern der Irscher Liedertafel und Quarter Past Seven.
Nicht alles ist zufällig


Nicht alles wird vom Lauf der immer neu in Bewegung gesetzten Kugel zufällig bestimmt, denn Bleffert hat eine übergeordnete Partitur mit klar definierter Zeitachse geschrieben. Sie gibt allen Akteuren bestimmtes Material wie auch Anfänge und Enden verschiedener Einsätze vor. Klar als vorgegebene Elemente zu erkennen sind gesungene Textpassagen mit Auszügen aus Nikolaus von Kues\' Schriften über sein Spiel. Sonst aber verschwimmen für den Zuhörer die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation.
Unter Regie von Thomas Rath entwickelt sich ein audiovisuelles Gesamtkunstwerk in drei Teilen. Im ersten überwiegen kontemplative atmosphärische Klangbilder der Instrumente. Im zweiten, in dem vier Kugeln rollen, bringt der große Einsatz menschlicher Stimmen dramatische Spannung. Der dritte Teil ist dann wieder meditativ, fast ermüdet das Rollen der Kugel dort aber auch schon.
Insgesamt ist Blefferts "Ludus Globuli" ein interessantes Erlebnis, auch wenn man sich bislang nicht unbedingt mit Religionsphilosophie beschäftigt hat oder Nikolaus von Kues\' Spiel nicht kennt. Es steht für sich, fordert allerdings Konzentration und Offenheit. Das Premierenpublikum applaudiert üppig. ae

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