Urlaub für einen Tag

TRIER. Hamburg rockt in Trier: "Beim Grand Hotel van Cleef-Festival" haben Kettcar, Tomte & Co. gezeigt, warum man selbst mit intelligenten deutschen Texten Erfolg haben kann. 1 700 Zuschauer erlebten das vom TV präsentierte Konzert in Kaiserthermen.

Urlaub machen nur Leute, die mit ihrem Leben chronisch unzufrieden sind. Die fliehen wollen. Die sich selbst belügen. Ein paar Kunstblumen für die Lebens-Fassade, ein Spritzer Farbe auf den Alltags-Rost. So ähnlich hat Tomte-Sänger Thees Uhlmann das mal gesehen. "Das war falsch", sagt er nun und schwärmt beim Auftritt in Trier von deutschen Urlaubszielen. Von Coburg etwa oder Wyk auf Föhr. Und Traben-Trarbach. Das sei "ein Traum von einer Stadt". Man weiß nie so recht, wo man dran ist. Wo die Ironie aufhört, und wann aus Weisheit Unsinn wird. Lied-Texte wie Ansagen: Alles hat kleine Widerhaken, der Geist lebt oft zwischen den Zeichen. Uhlmann hat mit Tomte die Ochsentour längst hinter sich. Früher spielte er in der kleinsten Exhaus-Kammer, zwischen drittklassigen Knüppelbands, zischte Korn mit Sprite, ohne dass all das irgendjemanden groß interessiert hätte. Jetzt ist Uhlmann hier. Im großen Rahmen, dem historischen Schick der Kaiserthermen. Er sinniert beim Blick auf die Bögen über römische Kampfformen. Auch wenn die Gladiatoren damals wohl kaum in Rüstung in die Schwimmbad-Dauerbaustelle gegangen wären - zumal es nie fertiggestellt wurde. Feiert mit seinen "Grand Hotel"-Kollegen und Freunden von Kettcar, The Weakerthans, Pale. Mit Oli Schulz & der Hund Marie und Home of the Lame, die noch nach den Hauptgruppen spielen dürfen. Vor 1700 Leuten auf dem Gelände, dazu vielen Dutzend, die sich das Konzert zum Unmut des Veranstalters "für lau" vom Palastgarten aus anschauen. "Ein Betriebsausflug", so nennt Felix Gebhard, Sänger von "Home of the Lame", "das Grand Hotel van Cleef-Festival". Während er auf der Bühne allein zur E-Gitarren noch um halb zwölf den (allerdings guten) "Rausschmeißer" gibt, sitzen die Kollegen der anderen Bands hinter ihm auf der Bühne. Ähnlich wie vorher bei Oli Schulz, der sich zumindest label-intern den Titel für die lustigsten Ansagen verdient hat: Der Hamburger Sänger und Gitarrist holt kurzerhand die "Weakerthans" auf die Bühne, lässt die grandiosen Kanadier sinnfreie Schulenglisch-Sätze nachsingen - und irgendwann wird aus einem großen Musikabend ein Comedy-Abend: Seine Metal-Hommage, bei der er das Publikum auf die Knie "zwingt" und dann ausrasten lässt, ist ein Glanzlicht des Abends, ein Sonnenstrahl in der Sommernacht. Das "GHvC" ist ein Festival der Nähe. Eng, idyllisch, unprätentiös. Stars gibt es keine. Nicht Kettcar-Sänger Marcus Wiebusch, nicht Uhlmann. Und ob Max Schröder - der bei fast jeder Band an irgendeinem Instrument sitzt -, nun mit Heike Makatsch zusammen ist oder nicht, wen interessiert das? Da kann die "Bravo" noch so sehr die Hamburger Bands zwischen Juli, Silbermond oder - schlimmer! - Tokio Hotel quetschen, weil sie ja auch deutsche Texte haben und erfolgreich sind. Die hellen Momente werden hängen bleiben. Etwa Kettcars Fernbeziehungs-Drama "48 Stunden", das Wiebusch gemeinsam mit Uhlmann singt. Oder das hymnische Ende von Tomtes "Schönheit der Chance": "Das ist nicht die Sonne, die untergeht, sondern die Erde, die sich dreht." Wenn Kettcar dagegen auf Mitsing-Interaktion mit dem Publikum setzt, entschuldigt sich Sänger Wiebusch schon vor dem Lied dafür. Die Band steht den Jugendzentrums-Brettern immer noch ein Stück näher als der Stadion-Bühne. Aber nur so kann man wachsen. Click-Me Seite 24

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