Verbotene Romane, durchlöcherte Warhols und pinkelnde Polizistinnen

Trier · Nachrichten aus der Barbarei: Der Iran hat die Bücher von Paulo Coelho verboten. Das zuständige "Ministerium für Kultur und islamische Führung" teilte die Zensur Anfang der Woche ohne Begründung mit.

Der Brasilianer Coelho gehört mit Büchern wie "Der Alchimist" zu den zehn meistverkauften und meistgeehrten Schriftstellern der Welt.

Aber bevor wir arrogant werden: Es ist noch keine achtzig Jahre her, dass hierzulande Werke wie Georg Büchners "Woyzeck" verboten waren. Vielleicht ist gerade das immer wieder ein Anreiz, sich mit dem Stück auseinanderzusetzen. Als eine der faszinierendsten Interpretationen gilt die musikalische Version des Amerikaners Tom Waits. Nach der Premiere 2000 in Kopenhagen lag diese Variante urheberrechtlich lange auf Eis, nun scheint sie einen Siegeszug zu beginnen. In Düsseldorf wurde die Premiere am Wochenende vom Publikum frenetisch gefeiert. Die Produktion mit Daniel Graf in der Titelrolle ist bis Mitte Februar im Schauspielhaus zu sehen.

Nicht jedes neue Werk kann mit derart freundlicher Aufnahme rechnen. Das Debüt der Schauspielerin Marie Bäumer als Autorin und Regisseurin ihres Stücks "Abschied" an den Hamburger Kammerspielen wurde von der Kritik fast unisono zerrissen. "Nicht wirklich mitreißend", schrieb die dpa, und es war so ziemlich der freundlichste Kommentar. Die Geschichte einer jungen Frau, die ihren wesentlich älteren Mann an eine tödliche Krankheit verliert, sei eine "hektische Aneinanderreihung von Szenen", befand (nicht nur) die "Welt", und empfahl Bäumer, "die Finger besser vom Inszenieren zu lassen".

Auch von abstrakten Kunstwerken sollte man besser die Finger lassen, zumindest, wenn Gefahr droht, sie zu zerstören. Aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Als Hollywoodstar Dennis Hopper einst in den wilden Siebzigern nach einer durchzechten Nacht versehentlich zwei Löcher in einen Druck von Andy Warhol schoss, der Mao Tse-Tung zeigte, umrandete und signierte Warhol die Einschusslöcher. Am Dienstag, fast 40 Jahre später und nach dem Ableben der beiden Protagonisten, wurde das Werk bei Christie's in New York für rund eine Viertelmillion Euro versteigert. Ohne Löcher wäre es nur ein Zehntel dieser Summe wert gewesen.

Ob der Dresdener Kunststudent Marcel Walldorf jemals solche Preise für seine Exponate erzielt, wird erst die Zukunft zeigen. Aber gleich eine seiner ersten Arbeiten sorgt derzeit für jene Art von Aufregung, die Andy Warhol fraglos erfreut hätte. "Petra" nennt er die lebensnahe Stahl-Skulptur einer Polizistin in Uniform. Das Problem ist, dass Petra, offenkundig am Rande eines Einsatzes, am Boden hockend genau das verrichtet, was ihre männlichen Kollegen - entschieden einfacher - am nächsten Baum erledigen können. In Dresden und Berlin war die Skulptur zu sehen, in Hamburg hat sie sogar einen Preis erhalten. Und weil es zu jedem Blödsinn noch ein paar blödsinnigere Reaktionen gibt, haben Polizeigewerkschafter und Minister in Sachsen gegen diesen "Kunstskandal" und die "Beleidigung jeder anständigen Polizistin" protestiert. Eine schönere Reklame kann sich Walldorf für seine erste Einzelausstellung ab Montag in Leipzig kaum wünschen. Dieter Lintz

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort