Vergangenheit und Moderne vereint im Trierer Totentanz

Trier · Vergangenheit trifft Gegenwart in einem zeitlosen Thema: Ein neues Buch der Trierer Stadtbibliothek vereint den "Trierer Totentanz", eine Handschrift aus dem 15. Jahrhundert, mit den Bildern des Trie rer Künstlers Werner Persy.

 Werner Persys Darstellungen des Todes sind im neuen Buch „Ein Trierer Totentanz“ zu sehen. Foto: Eva-Maria Reuther

Werner Persys Darstellungen des Todes sind im neuen Buch „Ein Trierer Totentanz“ zu sehen. Foto: Eva-Maria Reuther

Trier. "Der Tod ist groß, wir sind die Seinen lachenden Mundes." Rainer Maria Rilkes berühmtes Dichterwort war früher womöglich noch gegenwärtiger als in der heutigen Zeit, in der ganze Industrien vom Versprechen ewiger Jugend leben. Dennoch: Die Beschäftigung mit dem Tod ist ein uraltes und somit zeitloses Menschheitsthema.
Wie zeitlos, belegt der schöne Band, den die Stadtbibliothek Trier jetzt herausgegeben hat. Darin wird dem alten "Trierer Totentanz" eine zeitgenössische Version von Werner Persy gegenübergestellt. Beide, der historische Totentanz sowie das Werk des Trie rer Malers und Grafikers, seien "klassischer Besitz der Trie rer Kultur", stellte der Direktor der Stadtbibliothek, Michael Embach, bei der Buchpräsentation fest.
Christliches Erbauungsbuch


Der in mittelfränkischem Dialekt verfasste "Trierer Totentanz" stammt aus dem 15. Jahrhundert. Zuletzt war die mit farbigen Miniaturen illustrierte gotische Handschrift, die auch den Titel "Der Welt Lauf und der Sünden Fluch" trägt, wohl im Besitz der Bibliothek eines Augustinerklosters. Ausgerechnet Heinrich Hoffmann von Fallersleben, der Dichter des Deutschlandliedes, entdeckte sie wieder. Von wem die kolorierten Federzeichnungen stammen, ist ungewiss, womöglich aus einer Werkstatt im elsässischen Hagenau. Der "Trierer Totentanz" ist kein klassischer Totentanz, er ist ein christliches Lehr- und Erbauungsbuch, das sich mit Sünde, Bekehrung und Gottgefälligkeit befasst - im Hinblick auf den unausweichbaren Tod und eine abzuwendende Verdammnis.
Dem gegenüber steht Werner Persys zeitgenössische Auseinandersetzung mit dem Tod in Aquarellen, Tuschzeichnungen und Holzschnitten. Wer den 1924 geborenen Künstler kennt, weiß, dass für Persy die Frage nach dem Tod auch immer die Frage nach dem Leben ist. "Ich will mit meiner Arbeit mitten im Leben stehen", hat er einmal in einem Gespräch bekräftigt. Und überhaupt: "Die Grundfragen menschlicher Existenz beschäftigen mich seit eh und je."
Dynamik und Entfesselung


Bereits als Student in Düsseldorf machte sich der Mann mit dem mächtigen weißen Bart an seinen ersten Totentanz. Den unbedarften Jugendskizzen sind Lebenserfahrung und künstlerische Einsicht gefolgt. Mit Blutleere oder akademischer Trockenheit hat das freilich nichts zu tun. Wer sich Persys Totentanz anschaut, ist beeindruckt von der Dynamik und der darin Bild gewordenen Entfesselung. Es sind Bilder, deren emotionale Kraft bewegt und die von einem tiefen Wissen um Menschsein zeugen.
Die neue Trierer Publikation leistet denn auch mehr als eine reine Zusammenstellung historischer und zeitgenössischer Bilder zum Thema Tod. Sie setzt vielmehr geistes- und kulturgeschichtlichen Wandel ins Bild. Es ist der Wandel vom mittelalterlichen Menschen im schützenden Mantel der Glaubenssicherheit, hin zum auf sich selbst zurückgeworfenen Individuum einer modernen Gesellschaft und seinem verzweifelten Ringen mit sich selbst.
Stadtbibliothek Trier (Hrsg.): Ein Trierer Totentanz, CH Verlag, 131 Seiten, 10 Euro, ISBN 978-3-9812817-3-6.

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