Verleger aus Liebe zur Wissenschaft

Trier · Aus der vielfältigen hiesigen Verlagslandschaft gehen nicht nur belletristische oder auf die Region bezogene Publikationen hervor. In der Universitätsstadt Trier wird auch (geistes)wissenschaftliche Literatur produziert. Der von Dr. Erwin Otto geführte Wissenschaftliche Verlag Trier (WVT) genießt in Deutschland das größte Renommee bei Fachbüchern zu Anglistik und Amerikanistik.

 Anglist Dr. Erwin Otto gründete einen eigenen Verlag, damit junge Geisteswissenschaftler es einfacher haben, ihre Arbeiten zu veröffentlichen. TV-Foto: Anke Emmerling

Anglist Dr. Erwin Otto gründete einen eigenen Verlag, damit junge Geisteswissenschaftler es einfacher haben, ihre Arbeiten zu veröffentlichen. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. Der Wissenschaftliche Verlag Trier veröffentlicht pro Jahr rund 100 Titel, doch, wie Verlagsleiter Dr. Erwin Otto scherzhaft formuliert, "keiner merkts." Will heißen, in der breiten Öffentlichkeit wird das Verlagsprogramm kaum wahrgenommen, da es sich hauptsächlich an Spezialisten richtet. Literaturland Eifel - Mosel - Hunsrück

Hochschulangehörige und Wissenschaftler sind die Zielgruppe für Fachliteratur der Schwerpunktbereiche Anglistik, Amerikanistik, Germanistik, Romanistik, Kultur-, Sprach-, Altertums-, Film- und Theaterwissenschaft. Neben Monografien, Sammelbänden, Dissertationen und Habilitationsschriften bringt WVT mittlerweile 40 wissenschaftliche Reihen heraus. Besonders ausgeprägt sind Engagement und Renommee des Verlags in den Bereichen Anglistik und Amerikanistik: "Wenn ich glaube, von einem Fach etwas zu verstehen, will ich es auch erstklassig vertreten", sagt Dr. Otto. Er ist Anglist, war als solcher wissenschaftlicher Assistent an der Universität Bochum und stellte damals fest: "Es ist schwierig für einen jungen Geisteswissenschaftler, Artikel in Fachzeitschriften zu veröffentlichen". Zusammen mit einem Kollegen entschloss er sich daher, eine eigene Fachzeitschrift zu gründen. 1977 ging sie unter dem Titel "Anglistik und Englischunterricht" mit drei jährlichen Ausgaben an den Start. "Blauäugig" seien sie damals gewesen, sagt Otto mit Rückblick auf\'s fehlende Startkapital. Doch alles ging gut. Eine Anschubfinanzierung leistete der Verlag Volksfreund-Druckerei, und das Ziel, die Ausgaben durch Einnahmen zu decken, wurde dank unkonventioneller Maßnahmen gar übertroffen. Auf der Suche nach Abonnenten fuhren Otto und vier Mitstreiter von Uni zu Uni und schrieben die Listen der Anglistik-Studenten ab. Die Auflage erreichte 3000 Exemplare, Anlass, 1978 einen eigenen Verlag zu gründen. Doch die Arbeit wurde den Inhabern neben Job und Familiengründung bald zu viel, sie verkauften die Zeitschrift. Erwin Otto blieb allerdings Mitherausgeber bis 2010. Der Verlag selbst ruhte, bis sich Otto 1990 nach Auslaufen seines Vertrags an der Uni Bochum zur Wiederaufnahme des Geschäfts in einem eigens erworbenen Gründerzeithaus in der Trierer Bergstraße entschloss. Dort, in einem stilvollen Ambiente zwischen Bibliothek und Gelehrtenstube, entwickelte er Ideen und Strategien, beispielsweise welche Reihen das Fach Anglistik braucht. "Wir haben auch viel probiert", erzählt er. Dazu gehörten die Übersetzung von englischsprachigen EDV-Handbüchern und ein Jahrzehnt lang von Filmproduktionen: pro Jahr umfasste die Arbeit 150 Nachrichtenbeiträge für den Südwestrundfunk (SWR) sowie einige für Fernsehmagazine wie "Panorama". Heute konzentrieren sich Otto und seine sechs Mitarbeiter wieder auf\'s Buch-Kerngeschäft, aus Gründen der Unabhängigkeit und Verbundenheit mit dem wissenschaftlichen Betrieb. Fast 3000 Autoren haben bislang bei WVT publiziert, die Auflagen bewegen sich von 350 (Dissertationen) bis zu 6000 Stück (studentische Handbücher). Im Trend liegen derzeit Handbücher zu Medien- und Kulturwissenschaften, eins davon, "Wie Comics erzählen", ist inzwischen Standardwerk. Die höchste Abonnentenzahl hat ausgerechnet eine Reihe, die sich eher nach Randthema anhört "Antike Naturwissenschaft und ihre Rezeption". Große Würfe sind aber auch die international verbreitete germanistische Fachzeitschrift "Wirkendes Wort" und die ständig aktualisierte und bis dato umfassendste englischsprachige Literaturgeschichte. "Das sind alles tolle Projekte", freut sich Dr. Otto. "Wir haben immer dran geglaubt, und es hat sich gelohnt".

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