Verstoß gegen Urheberrechte: Theater Trier muss Musical-Inszenierung ändern

Trier · Das Jahr 1990, in dem das Musical "Rent" spielt, liegt nach Ansicht des Trierer Theaters schon ziemlich weit zurück. Darum hat man für die aktuelle Produktion eine weitere, erläuternde und moderierende Figur erfunden. Jetzt meldeten sich die Inhaber des Urheberrechts und untersagten die Ergänzungen. "Rent" läuft künftig in der ursprünglichen Fassung.

 Ein Bild aus „alten Tagen": Carin Filipcic (links) tanzt als Joanne heute den „Tango: Maureen“ mit ihrer jüngeren Ausgabe (Kathrin Hanak) und Christopher Ryan (Mark). Foto: Vincenzo Laera

Ein Bild aus „alten Tagen": Carin Filipcic (links) tanzt als Joanne heute den „Tango: Maureen“ mit ihrer jüngeren Ausgabe (Kathrin Hanak) und Christopher Ryan (Mark). Foto: Vincenzo Laera

Foto: vincenzo laera

Die schlechte Nachricht kam ganz zum Schluss. Nach der "Rent"-Vorstellung am Donnerstag teilte Carin Filipcic vom Trie-rer Theater-Ensemble lapidar mit, dass die Rechte-Inhaber gegen die aktuelle Trierer Fassung Einspruch eingelegt hätten. Das Musical laufe künftig in der "Originalfassung". Was bedeutet: Seit gestern kommt die Trierer Produktion ohne eine Figur aus, die gar nicht im originalen Textbuch steht. Man hatte das Stück um die Rolle der "Joanne heute" ergänzt und die mit Carin Filipcic besetzt. Damit indes waren die Erben von "Rent"-Autor und -Komponist Jonathan Larson nicht einverstanden.

Das Trierer Theater gab notgedrungen nach, wobei man sich einen Seitenhieb nicht verkneifen konnte. Es sei schon seltsam, hieß es von der Bühne, dass die Rechteinhaber ausgerechnet bei einem Stück um künstlerische Freiheit solch kreative Ergänzungen untersagten. Die Besucher im fast voll besetzten Theater, die eben noch die Vorstellung lautstark bejubelt hatten, verließen den Ort des Geschehens jedenfalls kopfschüttelnd, aber ohne Protest.

Intendant Karl Sibelius wurde von der Intervention auf der Fahrt in seine österreichische Heimat überrascht, reagierte indessen gelassen. Eine Rezension der Trierer Produktion sei bei Larsons Erben in Amerika gelandet, und diese hätten die Ergänzung untersagt. "Das ist ihr gutes Recht." Freilich habe man mit dieser Reaktion nicht gerechnet. Und überhaupt: Durch solch restriktive Anwendung des Urheberrechts werde die künstlerische Freiheit der Theater stark eingeschränkt, und zwar nicht nur in Trier.Vertrag verbietet Änderungen


Das beurteilen die Vertreter der Larson-Erben allerdings aus einer anderen Sicht. Stephan Kopf, Geschäftsführer des Wiesbadener Verlags Musik und Bühne, der die Rechte an "Rent" wahrnimmt, sieht zu seiner Intervention keine Alternative: "Die zusätzlichen Texte sind von den Erben des Autors und Komponisten nicht gewünscht, und wir müssen das kontrollieren." Obwohl normalerweise ein "enger Kontakt" zwischen dem Trierer Theater und dem Wiesbadener Verlag bestehe, sei aus Trier keine Anfrage gekommen. Überdies stehe das Verbot eigenmächtiger Veränderungen ausdrücklich im Vertrag.

Jedenfalls sah sich Kopf veranlasst, eine Vorstellung in Trier zu besuchen, entdeckte dabei die Ergänzung und reagierte entsprechend. Warum Trier trotz der eindeutigen Vertragsbestimmungen die Neufassung durchzog, ist auch für den Wiesbadener Geschäftsführer schleierhaft. Zumal sich für alle, die auf Erläuterungen und Ergänzungen Wert legen, eine elegante Lösung angeboten hätte. Kopf: "Die Texte sind gar nicht schlecht. Aber die gehören ins Programmheft und nicht auf die Bühne."Meinung

Der Intendant braucht Hilfe
Da hat das Trierer Theater noch einmal Glück gehabt. Es ist in der "Rent"-Angelegenheit mit einem blauen Auge davongekommen. Die verlangten Korrekturen lassen sich ohne Klimmzüge umsetzen, und zusätzliche Kosten fallen nicht an. Damit ist ein Verhalten, das man auch als offenen Vertragsbruch ansehen könnte, noch einigermaßen schiedlich bereinigt worden - die Missachtung von Persönlichkeitsrechten hätte auch anders ausgehen können. Wie es überhaupt zu dem Beinahe-Desaster kommen konnte, sollte allerdings geklärt werden. Es kann doch wohl nicht sein, dass am Augustinerhof sämtliche juristische Sicherungen durchbrennen, niemand einen zweifellos eindeutigen Vertrag zur Kenntnis nimmt und der Regisseur macht, was er will. Und was die neue Leitungsstruktur angeht: Es sieht in der Tat so aus, als wäre es ein Fehler, sie ganz auf den Intendanten zuzuschneiden. Karl Sibelius braucht einen autonomen Verwaltungsdirektor - nicht als Aufpasser, sondern als Ratgeber, Unterstützer und Freund. nachrichten.red@volksfreund.de

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