Verzaubert von der Zauberflöte

Trier · Eine Opernproduktion der ganz ungewöhnlichen Art wird zurzeit in der Trierer Porta-Nigra-Schule vorbereitet. 80 geistig behinderte Schüler werden gemeinsam mit den Profis des Trierer Theaters Mozarts "Zauberflöte" aufführen.

Trier. Mit geschwellter Brust stehen Dominik, Richard und Nicolas nebeneinander vor der kleinen Pforte des Turnsaals im Keller der Porta-Schule - wie Türsteher vor einer angesagten Disco. "Hier kommt keiner durch", sagen ihre entschlossenen Mienen und Gesten. Auch nicht der junge Mann, der sich zur Musik aus dem CD-Spieler immer wieder elegant heranschleicht. Erst ein betörendes Glockenspiel bringt die grimmigen Gesichter zum Lächeln, und der freundliche Eindringling darf passieren.
Die Szene stammt tatsächlich aus Mozarts "Zauberflöte", auch wenn die Wächter dort nicht vor der Disco stehen, sondern vor dem Weisheitstempel. Und wahrscheinlich hätte Uraufführungs-Regisseur Emmanuel Schikaneder vor 222 Jahren seinen Akteuren auch nicht gesagt, sie sollten sich bewegen wie Arnold Schwarzenegger.
Jean-Pierre Lamperti, Regisseur und Choreograph am Theater Trier, braucht aber solche handfesten Vorbilder, wenn er seinen jungen Darstellern erklären will, was er von ihnen erwartet. Denn die Jungen und Mädchen, die hier als Wächter, Ungeheuer, Leibgarde oder Waldbewohner auftreten, haben mit Theater sonst meist nicht viel zu tun. Mit theoretischen Erläuterungen kommt man da nicht weit, gefragt sind Geduld und kreative Ideen, wie man die Inhalte des Stücks plastisch vermittelt.
"Der Jean-Pierre macht das toll", lobt Lehrer Gerd Dahm, der mit vielen seiner Kollegen das Projekt initiiert hat. Sowohl auf der Seite des Theaters als auch bei der Schule steckt viel ehrenamtliches Engagement in dem ambitionierten Vorhaben. Die Porta-Schüler sind nicht nur Akteure auf der Bühne, sie bauen auch die Kulissen, gestalten Requisiten und singen mit im Chor, der zwei Etagen höher mit Dirigent Victor Puhl probt.
Der persönliche Einsatz des Generalmusikdirektors zeigt, wie ernst das Theater diese "Zauberflöte" nimmt. Die erste Garde des Opern-Ensembles von Evelyn Czesla bis Amadeu Tasca wird auf der Bühne stehen, mit Silja Schindler übernimmt ein toller Gast die Königin der Nacht. Puhl, Lamperti und die Theater-Dramaturgen haben die Oper erheblich gerafft, manche Personen weggelassen, Aufgaben neu verteilt. Die Rollen von Tamino und Pamina etwa werden getanzt - so entpuppt sich beispielsweise der junge Mann, der anfangs vergeblich gegen die Türsteher anschleicht, bei näherem Hinsehen als Tänzer René Klötzer.
Für die Schüler ist das Projekt eine spannende Abwechslung vom Schulalltag. "Alles ist neu, und man weiß nicht, was rauskommt", sagt Dominik. Und dennoch: "Unheimlich ist mir das nicht", betont Richard und setzt jenes selige Lächeln auf, das Jean-Pierre Lamperti von ihm erwartet, wenn das Glockenspiel oder die Zauberflöte ertönen.
Viel Improvisation gefordert


Der Regisseur hat schon öfter mit Kindern gearbeitet, aber diesmal sind die Spielregeln anders. "Ich kann nicht einfach sagen: So machen wir das, und dann wird es umgesetzt", erzählt der gebürtige Korse, der in den vergangenen Jahren Assistent des Trierer Ballettdirektors Sven Grützmacher war. Lampertis Rezept: "Wir brauchen viel Improvisation, und es soll allen Spaß machen."
Noch sind es drei Monate bis zur Premiere, aber der Termin rückt immer näher. Bald werden die wöchentlichen Proben von der Schule ins Theater verlegt. Und die böse Schlange muss noch gebastelt werden - in der Trierer Zauberflöten-Version ein Ausdruck der Ängste der jungen Mitspieler. Vor einem brauchen die engagierten Macher aber hoffentlich keine Angst zu haben: vor leeren Rängen bei der Premiere.Extra

Die "Zauberflöte" in der Kooperation des Theaters Trier mit der Porta-Nigra-Schule der Lebenshilfe feiert am Donnerstag, 30. Mai, im Großen Haus des Trierer Theaters Premiere. Bei entsprechender Nachfrage ist eine weitere Vorstellung am 6. Juni vorgesehen. Der Beginn des Kartenvorverkaufs wird rechtzeitig bekanntgegeben. Die Produktion wird von der Kulturstiftung Trier unterstützt. DiL

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