Vieles bleibt im Dunkeln

Luxemburg · Musikalisch ein Fest, szenisch eine Unterforderung: So kommt die Barockoper "Egisto" im Luxemburger Grand Théâtre auf die Bühne. Für Freunde barocker Vokalmusik ein absolutes Muss.

Luxemburg. Wer die Produktionen von Regisseur Benjamin Lazar und Bühnenbildnerin Adeline Caron in den vergangenen Jahren verfolgt hat, der kennt das Grundprinzip schon: Gearbeitet wird mit den szenischen Mitteln, die zur Entstehungszeit des Stückes zur Verfügung standen.
Was bei Barockopern heißt: Geleuchtet wird mit Kerzen, die technische Ausstattung bleibt auf ein Minimum reduziert, Projektionen und Special Effects entfallen. Das hat hervorragend funktioniert, etwa bei Landis "Il Sant\' Allessio". Bei "Egisto" von Pier Francesco Cavalli stößt das Konzept freilich an seine Grenzen.
Das mag damit zusammenhängen, dass es sich um eine "Sommernachtstraum"-Geschichte handelt, um die Irrungen und Wirrungen junger Liebespaare, die unglücklich in die Händel rivalisierender Götter geraten. Das schreit nach Handlung auf der Bühne, aber bei Lazar wird nicht gehandelt, sondern das Geschehen verhandelt, in bisweilen endlos erscheinenden Mono- und Dialogen. Zugegeben: Manche Barockopern-Regisseure unserer Tage neigen dazu, die Schwäche der Libretti durch übermäßigen Aktionismus zu kompensieren. Aber der umgekehrte Weg, den Lazar hier einschlägt, wirkt bisweilen einfach ermüdend.
Dabei steht ihm ein schönes, gut bespielbares Bühnenbild zur Verfügung: ein verfallendes Gebäude, wohl ein Tempel, mit verschlungenen Bögen und Kreuzgängen, über zwei Etagen - wie ein Gemälde oder das Innere einer Schneekugel. Alles freilich immer im Halbdunkel des Kerzenscheins. Bei manch anderen Produktionen wünscht man sich, man müsse nicht sehen, was auf der Bühne passiert. Hier braucht man die Augen nicht zu schließen, um optische Eindrücke auf ein Minimum zu reduzieren.
Das erleichtert andererseits die Konzentration auf die Musik. Und die entschädigt für alles. Vincent Dumestre und seine Formation Le poème harmonique bestätigen ihren Ruf als eines der derzeit besten Barockorchester. Nicht mit jener Verve, die Emmanuelle Haim diese Woche mit ihrem "Concert d\'Astrées" in der Philharmonie zeigte. Aber doch souverän im Klangbild, sängerfreundlich, konzentriert.
In den Hauptrollen finden sich ausschließlich exzellente, in der Technik des Barockgesangs bestens bewanderte Sänger. Auffällig vor allem die Herrenriege, mit dem wunderbar timbrierten Cyril Auvity an der Spitze, dem kraftvollen Marc Mauillon in der Titelrolle und dem auch in höchsten Höhen bestechend leicht agierenden Reinoud van Mechelen. Auch Claire Lefilliâtre und Isabelle Druet in den weiblichen Hauptpartien vermögen zu überzeugen. Freundlicher Beifall im eher schmächtig besetzten Theater. DiL
Für die Vorstellung am heutigen Samstag gibt es noch Karten an der Abendkasse.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort