Vinyl der Woche: Barcelona - Freddie Mercury & Montserrat Caballé G.O.A.T.

Serie | Barcelona · Vor 30 Jahren starb Freddie Mercury. Kurz vor seinem Tod erfüllte er sich mit „Barcelona“ einen Traum – wegen dem der Weltstar extrem nervös war.

Vinyl der Woche: Barcelona - Freddie Mercury & Montserrat Caballé
Foto: Polydor

Das Ritz-Hotel in Barcelona. Wir schreiben das Jahr 1987. Freddie Mercury ist längst einer der erfolgreichsten und genialsten Rocksänger der Geschichte. Doch an diesem Tag ist er nervös. Der Grund: Die schönste Stimme der Welt, wie er sie bezeichnet. Erstmals hat er diese sechs Jahre zuvor in Verdis Oper Un ballo in maschera im Covent Garden in London gehört. Als die Frau hinter der Stimme mit dem Queen-Frontmann zusammenarbeiten will, geht für Mercury ein Traum in Erfüllung. Hier steht er nun also. Aufgeregt im Ritz. Kurz vor dem ersten Treffen mit Mont­serrat Caballé. Als er sie trifft, ist er so nervös, dass er statt einer Begrüßung nur herausstammelt: „Ich habe einen Song für sie geschrieben, wollen Sie ihn hören?“

Caballé will. Mercury trägt Exercises In Free Love vor. Caballé ist begeistert, spielt den Song drei Wochen später im Covent Garden – später erscheint das Stück als Ensueño auf dem gemeinsamen Album Barcelona. Wenige Wochen nach dem besagten Treffen im Ritz-Hotel erfährt der Queen-Frontmann, dass er aufgrund seiner HIV-Infektion nicht mehr lange zu leben hat. Mit Barcelona, der Zusammenarbeit mit einer Opernsängerin, erfüllt sich Mercury einen seiner letzten Herzenswünsche, bevor er 1991 stirbt. Heute, Mittwoch, jährt sich sein Todestag zum dreißigsten Mal.

„Montsi“ nennt Freddie Mercury seinen genialen Gegenpart Mont­serrat Caballé damals liebevoll. Die wiederum ist bereit, sich für ein gemeinsames Album anzupassen. „Wie viele Songs hat ein Rockalbum normalerweise“, fragt sie Mercury einst. „Zehn“, antwortet er. „Dann nehmen wir zehn Songs auf“, erwidert sie sofort. Die Beziehung der beiden ist von beidseitigem künstlerischen Respekt, ach, Bewunderung, geprägt.

Es gibt nur eine Sache, bei der Montserrat Caballé nicht mit sich verhandeln lässt. Sie will unbedingt einen Song über ihre Heimatstadt Barcelona. Dieser wird ein Welthit. Tatsächlich stehen Freddie Mercury und die „schönste Stimme der Welt“ gemeinsam auf einer Bühne. Wie sein Manager Jim Beach später sagt, legt Mercury all seine musikalische Kraft in dieses Album und diesen Song. Weil er weiß, dass es sein letztes musikalisches Werk sein könnte.

1992 finden die Olympischen Sommerspiele in eben dieser Stadt statt. Barcelona wird neu aufgenommen und zur Hymne dieses Events. Freddie und Montsi sollen den Song bei der Eröffnungsfeier singen. Ein musikalisches und sportliches Weltereignis. Eines, das Freddie nicht erlebt. Weil ihr Freund und musikalischer Partner zu diesem Zeitpunkt bereits verstorben ist, kommt ein Auftritt für Montserrat Caballé nicht infrage. Das Lied mit jemand anderem singen? Freddie ersetzen? Undenkbar. Doch es gibt noch ein weiteres riesiges Sportereignis: Beim Finale der Champions League 1999 im Camp Nou (Bayern-Fans wird jetzt sicher ein kurzer Stich im Herz treffen) singt Caballé den Song. (Fast) Alleine. Denn Freddie wird durch eine auf das Stadion projizierten Videoaufzeichnung eingespielt.

Die Geschichte hinter Barcelona sagt einiges aus über Freddie Mercury. Über musikalischen ­Drive, Perfektionismus und das Überschreiten von Grenzen. Für mich persönlich ist Mercury der beste Musiker aller Zeiten. Oder wie man in den USA sagt: Der G.O.A.T (Greatest Of All Time). Dennoch überragt für mich eine Frage: Wie kann ein derart genialer Musiker, der alles erreicht und alle Bühnen dieser Welt gesehen hat, dennoch in manchen Momenten – wie dem Treffen mit Montserrat Caballé im Ritz – so sympathisch nervös, fast schon kindlich, sein und sein eigenes Können derart stark unter das anderer Musiker stellen?

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