Vinyl der Woche: Tears in Heaven – Eric Clapton Der unglaubliche Schmerz des Gitarrengotts

Am Montag wird Eric Clapton 75 Jahre alt. 1991 erlebt er den wohl schlimmsten Tag seines Lebens, der heute vielen Eltern hilft, Trauer zu bewältigen. In der Serie Vinyl der Woche begeben wir uns auf eine Zeitreise zu der Entstehung von Tears in Heaven.

   von Christian Thome

von Christian Thome

Foto: TV/Christian Thome

                                

Würdest du meinen Namen kennen,
wenn ich dich im Himmel träfe?

Wäre es dasselbe,

wenn ich dich im Himmel träfe?

                                

Eric Clapton ist nervös. Absurd: Der Blues-Gitarrengott, der Millionen Tonträger verkauft, dessen Alben in den USA und Großbritannien Platin erreichen und der Hallen und Open-Airs füllt, ist an diesem 19. März 1991 aufgeregt, weil er mit einem Vierjährigen ausgeht.

Es ist eben kein fremder Vierjähriger, es ist sein eigen Fleisch und Blut, sein Sohn Conor, der bei dessen Mutter Lory Del Santo aufwächst. Aber heute, heute hat Eric Clapton die Möglichkeit mit ihm auszugehen, auf ihn aufzupassen. Die beiden fahren in den Zirkus nach Long Island. Sie verbringen einen großartigen Abend, Conor redet wie ein Wasserfall und ist besonders von den Elefanten begeistert. Zum ersten Mal erkennt Eric Clapton was es heißt, ein Vater zu sein. Eine traumhafte Vater-Sohn-Geschichte, die Eric Clapton in seiner Autobiografie beschreibt. Sie sollte einen Tag später zu einem Albtraum werden.

                                

Ich muss stark sein,
und durchhalten

Denn ich weiß, ich gehöre nicht

hierher in den Himmel.

                                

Am Ende dieses Abends sagt Clapton zu Lory Del Santo, dass er sich von jetzt an alleine um Conor kümmern will, wenn dieser bei ihm zu Besuch ist. Dazu soll es nicht kommen. Es ist das letzte Mal, dass Conor und Eric sich sehen.

Am 20. März 1991 steht der Gitarrengott früh auf, will Lory und Conor in den Zoo ausführen. Gegen 11 Uhr klingelt sein Telefon. Es ist Lory. Sie schreit. Conor sei tot. „Das ist doch absurd. Wie kann er denn tot sein?“, denkt sich Clapton. Absurd, aber wahr: Der Vierjährige ist aus einem geöffneten Fenster im 53. Stock eines Hochhauses gefallen und auf dem Dach eines Nebengebäudes gelandet. Zweimal noch sieht Eric Clapton seinen Sohn. Zunächst bei der Identifizierung des Leichnams. Und dann ein zweites Mal beim Bestattungsunternehmen, als er Abschied nimmt – und sich entschuldigt, kein besserer Vater gewesen zu sein.

                           

Würdest du meine Hand halten,
wenn ich dich im Himmel träfe?

Würdest du mir helfen zu stehen,

wenn ich dich im Himmel träfe?

                               

Conors tödlicher Sturz bringt auch die Musiklegende fast zum Fallen. Er isoliert sich für eine Zeit, nur die Musik gibt ihm Halt. Nach einer Weile beginnt Eric Clapton zu arbeiten. Er soll den Soundtrack für den Film Rush schreiben, ein Krimi-Drama mit Jennifer Jason Leigh und Jason Patric in den Hauptrollen. Mit Clapton arbeitet der geniale Songwriter Will Jennings, der unter anderem für Whitney Houston (Didn‘t We Almost Have It All), Joe Cocker (Up Where We Belong) und später Celine Dion (My Heart Will Go On) Welthits schreibt. Der Jenning-Clapton-Feder entspringt zunächst Help Me Up. Dann trifft Clapton eine Entscheidung: „Ich will einen Song über meinen Jungen schreiben.“

Wie Will Jennings später erklärt, schreibt Clapton den ersten Vers – und bittet seinen Kollegen, den Rest beizusteuern: „Für mich ist der erste Vers der ganze Song“, sagt Jennings. Den Rest schreibt er dennoch.

                            

Ich werde meinen Weg finden,
des Nachts und am Tage.

Denn ich weiß, ich kann einfach nicht bleiben,
hier im Himmel.

                               

Es entsteht ein Werk, das in seiner einfachen und dennoch rührenden Art bis heute seinesgleichen sucht. Clapton und Jennings schreiben vom Treffen eines Vaters mit seinem Sohn im Himmel und der Erkenntnis, dass der Vater hier noch nicht hingehört und stark sein muss. Doch irgendwann, da werden sich die beiden im Himmel wiedertreffen und es wird keine Tränen mehr geben.

Eine Botschaft, die seit jeher etlichen Eltern neue Kraft verleiht, wenn sie um ein Kind trauern. Eben diesem Effekt verdankt die Welt, dass der Song überhaupt veröffentlicht wurde.

Denn Eric Clapton möchte das zunächst nicht. Die Rush-Regisseurin, Lili Zanuck, überzeugt ihn damit, dass der Song vielleicht jemandem helfe, der in einer ähnlichen Situation sei. Zum Glück, denn 1993 gewinnt Tears in Heaven drei Grammys. Allein in den USA gehen 2,8 Millionen Exemplare über die Ladentheke.

                           

Jenseits der Tür
gibt es Frieden, ich bin sicher.

Und ich weiß, es wird keine

Tränen mehr geben im Himmel

                               

Und 2020? Conor ist seit fast 30 Jahren tot, sein Vater wird am 30. März 75. Das Zupfen am Anfang von Tears in Heaven erreicht weiter alle Generationen. Die, die schon damals Clapton-Fans waren. Die, die mit seiner Hilfe aus der Trauer gefunden haben und die, die im Gitarrenunterricht claptoneske Klänge spielen.

 Eric Clapton bei einem Konzert in Polen (2013). Auch heute tritt der bald 75-Jährige noch auf. Den Song Tears in Heaven, den er für seinen verstorbenen Sohn schrieb, spielt er nicht mehr.

Eric Clapton bei einem Konzert in Polen (2013). Auch heute tritt der bald 75-Jährige noch auf. Den Song Tears in Heaven, den er für seinen verstorbenen Sohn schrieb, spielt er nicht mehr.

Foto: picture alliance / dpa/Grzegorz Michalowski

Und Eric? Der tourt noch immer. 2013 diagnostizieren Ärzte bei ihm eine Nervenerkrankung, die es ihm schwer macht, weiter Gitarre zu spielen. Aber Eric Clapton spielt weiter, 2020 wäre er nach Deutschland gekommen (München, Stuttgart, Düsseldorf). Das Coronavirus macht ihm einen Strich durch die Konzert-Rechnung. Die Termine werden 2021 nachgeholt, Tickets behalten ihre Gültigkeit.

Tears in Heaven spielt Clapton seit 2004 nicht mehr. Zum Glück, denn wie der Gitarrengott sagt, spürt er nicht länger den Schmerz, den es brauche, um den Song zu performen.

In der Serie Vinyl der Woche bespricht der Trierische Volksfreund wöchentlich eine Schallplatte – egal ob Neuerscheinung, Klassiker oder Außergewöhnliches. Alle Serienteile gibt es unter volksfreund.de/vinyl.

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