Vinyl der Woche: Heart Of Gold – Neil Young Dann lieber wieder ‘72

Serie · Wäre Neil Young vor 50 Jahren in eine Zeitmaschine gestiegen und ins Jahr 2022 gereist, er wäre schockiert. Wie sollte man ihm erklären, dass er sich während einer Pandemie mit Spotify streitet?

 Heart Of Gold von Neil Young

Heart Of Gold von Neil Young

Foto: Reprise Records

Stellen Sie sich vor, es gäbe Zeitmaschinen. So richtig wie im Film. Und stellen Sie sich vor, Neil Young wäre vor 50 Jahren, als er mit Heart of Gold Platz eins der US-Charts erreichte, in eine solche gestiegen. Hätte überlegt. Hm. In welches Jahr? 100 Jahre? Ist ja blöd, dann sehe ich ja, was passiert, wenn ich nicht mehr lebe. Machen wir die Hälfte. 50 Jahre eingestellt, die Maschine verschwindet in einem Wurmloch und, shwooooosh, Neil Young reist aus 1972 ins Jahr 2022.

Toll, und jetzt? Young braucht jemanden, der ihm erzählt, was Sache ist. Und was Sache war. Joni Mitchell, auf die ist Verlass, mit der ist er sicherlich noch befreundet. Young ruft an ...

Joni, Neil Young hier. Also der Heart-of-Gold-Neil. Folgendes ... Ich bin 50 Jahre in die Zukunft gereist. Kannst du mir sagen, wo meine Freundin Carrie ist?

Ähm, hallo Paul. Also Carrie ist gestorben, aber ihr wart auch nur kurz zusammen. Aber! Danach hast du recht schnell geheiratet.

Ha, die Frau meines Lebens, wette ich! Wie heißt sie, wo finde ich sie?

Naja, Neil ... auch Pegi ist gestorben, aber ihr hattet euch nach 36 Jahren scheiden lassen. Aber! Du hast Daryl Hannah geheiratet. Die Schauspielerin aus ... ach Quatsch, die Filme kennst du ja alle nicht.

Ist ja auch egal. Wie ist meine Karriere verlaufen? Heart of Gold war doch sicher nur der Anfang?

Kann man so sagen, ja. Du bist einer der größten Musiker aller Zeiten. Jeder kennt dich. Aber Heart of Gold konntest du nicht nochmal toppen.

Immerhin. Und politisch? Alles gut?

Hm, Neil. Also es gibt da so einen Mann in deinem Alter. Donald Trump. Schreckliche Frise, komische Ansichten. Aber ne Menge Schotter ...

Und?

Naja, der war Präsident. Wollte wiedergewählt werden. Sagen wir es so, ihr mögt euch nicht besonders. Er hat bei Wahlkampfauftritten deine Musik gespielt, du hast ihm das verboten, er hat dich einen Heuchler genannt.

Muss ja ein mieser Typ sein ...

... so mies, dass du extra US-Bürger wurdest, um gegen ihn zu stimmen. Hat aber geklappt, er wurde nicht wiedergewählt.

Ja dann ist doch alles gut, Hauptsache kein Streit!

Hm, Neil. Also eigentlich ist da schon was, du legst dich gerade ziemlich mit Spotify an.

Spoti-was?!

Ach, das kennst du ja nicht. So ein Streaming-Anbieter.

Strea-was?!

Da kann man unsere Musik immer und überall hören. Und halt auch Podcasts.

Po-was?!

Podcasts sind so etwas wie Radiosendungen, nur dass du sie immer hören kannst. Da redet jeder über alles.

Und was hab ich damit zu tun?

Da war so einer, Joe Rogan heißt der. Und der hatte einen Wissenschaftler zu Gast, der ziemlich falsche Fakten über Corona erzählt hat.

Co-was?!


Ach, sorry. Wir haben seit zwei Jahren eine weltweite Pandemie. Und da gibt es halt Leute, die da ziemlichen Mist erzählen. Du wolltest, dass Spotify sich zwischen dir und Joe Rogan entscheidet ...

Ja logisch! Ich bin Neil Young, einer der größten Musiker. Und wer ist dieser Joe? An mir verdienen die sich doch eine goldene Nase, diese Spoti-Typen!

Neil, die Dinge laufen heute anders ... deine Musik hören sechs Millionen Menschen jeden Monat bei Spotify. Rogan hat pro Folge, da erscheinen mehrere pro Woche, elf Millionen Hörer. Die haben sich also gegen dich entschieden.

Ach, egal. Kostet ja nix.

Eigentlich streamt heute fast jeder nur noch ... und du machst 60 Prozent deiner Streaming-Einnahmen mit Spotify. Kostet also schon was ...

Na wunderbar. Immerhin ist kein Krieg, das ist die Hauptsache.

Neil ...

Tuuuuut, tuuuuuuut. Swooooooosh. Dann lieber wieder 1972. Christian Thome

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