Vinyl der Woche: Let Go – Avril Lavigne Bayer Leverkusen

Serie · Vor 20 Jahren wurde Avril Lavigne mit „Let Go“ zum Star – und zeigte, dass man es auch „ganz normal“ nach ganz oben schaffen kann.

 Let Go von Avril Lavigne

Let Go von Avril Lavigne

Foto: Music on Vinyl (H'Art)

Musik war vor 20 Jahren wirklich großer Mist. Blicken wir alleine auf die Jahrescharts in Deutschland. Da tummeln sich Bro‘sis und die No Angels, zwischendurch durfte auch Modern Talking mal wieder auf die Eins, bis Anders und Bohlen von Xavier Naidoo und später Ronan Keating abgelöst wurden. Wäre dieses Musikjahr ein Fußballverein, wäre es der VfL Wolfsburg. Erfolgreich, aber juckt irgendwie im Nachhinein die wenigsten. Und dann waren da noch die zwei Popstars, wie sie im Buche stehen: Britney Spears und Christina Aguilera. Posierend in Jugendklatschblättern, das perfekte Abbild dessen, was viele Mädchen sein wollten, aber nicht konnten.

Und dann kam Avril Lavigne. Als sie vor zwei Jahrzehnten ihr Debütalbum Let Go veröffentlicht, ist sie gerade einmal 17 Jahre alt. Auch sie soll zum Popstar werden. Zum perfekten Abbild dessen, was viele Mädchen sein wollen – und vielleicht sogar können. Denn Lavigne ist nicht ständig rausgeputzt. Ihre Hosen: Mal zerrissen, mal weit. Ihre Haare: Blond, einfacher Mittelscheitel und glatt herunterhängend. Ihre Oberteile: Tops, manchmal T-Shirts, meist verziert mit Buttons.

Vor 20 Jahren veröffentlicht Avril Lavigne das Album „Let Go“

Ich stimme der Bravo wirklich ungern zu. Aber Heft Nummer 40 aus dem Jahr 2002 muss ich das. Nein, nicht bei der Überschrift: „B3-Fans geschockt: Rod steigt aus!“ – wer zur Hölle sind B3 nochmal?! Nein, es dreht sich um die Frau auf dem Cover, die dem Leser den Mittelfinger entgegenstreckt. „Frechheit siegt! Avril Lavigne mischt die Pop-Szene auf!“. Es war tatsächlich die Frechheit, die Lavigne auszeichnete. Auch wenn immer wieder Diskussionen aufkamen, wie viel dieses Images sie selbst verkörperte und zu wie viel sie kontrolliert wurde: Die Meinungen über Avril Lavigne gingen von „Yeah endlich eine-von uns am Musikhimmel!“ bis zu „Wie kann die nur, das ist doch eine Jugendzeitschrift?“

Das Problem: Im Nachhinein ist auch Lavignes Musik wenig außergewöhnlich. Vielleicht nicht der VfL Wolfsburg, sondern ... Bayer Leverkusen. Ein bisschen interessanter. Was eine riesige Verschwendung ist, denn die Kanadierin ist mit unglaublichem gesanglichen Talent gesegnet, von dem die Spearsens und Aguileras dieser Welt nur träumen können. Das reicht immer noch, um in der CD-getriebenen Musikwelt der 2000er-Jahre erfolgreich zu sein: Let Go springt in Kanada und Großbritannien auf Platz eins, die Nachfolgeralben Under My Skin und The Best Damn Thing eigentlich überall.

Auch heute kann jeder auf einer Party Sk8er Boi oder Complicated in die Playlist ziehen – es wird sich niemand beschweren (anders als bei Modern Talking und Bro‘sis).

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