Vinyl der Woche: Raising Hell – Run-DMC Die Rapper, die Aerosmith retteten

Serie · Ende der Siebziger hätte Schluss sein können mit Aerosmith. Dass das nicht so kam, liegt am Album Raising Hell von Run-DMC. Wie die Rapper die Weltband retteten.

 Raising Hell von RUN DMC

Raising Hell von RUN DMC

Foto: TV/Band

Aerosmith. Eine Band, die heute wohl fast jeder kennt. Kennt, nicht liebt. Ich bin ehrlich: Meins isses nich’. Geschmäcker sind ja verschieden. Dennoch wäre mir keine salzige Träne die Wange herunter gelaufen und in der FFP2-Maske eingetrocknet, wenn diese Geschichte anders gelaufen wäre. Wenn die Geschichte der Band Aerosmith Ende der 1970er-Jahre geendet hätte. Aber drei schwarze Rapper hatten was dagegen – ohne die Band zu kennen. Als Run-DMC vor 35 Jahren ihr Album Raising Hell veröffentlichen, retten sie auch die heute legendäre Band Aerosmith.

Die Bandmitglieder Run, DMC und Jam Master Jay (welch’ wundervolle Rappernamen) kennen Anfang der 1980er-Jahre von Aerosmith nur den Song Walk This Way. Wobei ... genau genommen kennen sie nur den Beat am Anfang. Diesen hören sie immer wieder, freestylen darauf. Bis zum Originaltext schaffen sie es nie. Run-DMC denken sogar, dass die Schöpferband des Songs Toys In The Attic heißt – sie verwechseln Band- und Albumname (kurzer Rückblick auf die Kolumne der vergangenen Woche: So ging es mir lange Zeit bei Visage beziehungsweise Fade To Grey).

Aerosmith liegt zu dieser Zeit am Boden. Drogen und Streitigkeiten sorgen dafür, dass Joe Perry und Brad Whitford die Band verlassen und durch Jimmy Crespo und Rick Dufay ersetzt werden. Dass Sie diese Namen zumindest nicht sehr gut kennen, ist ein Indiz dafür, wie schlecht die beiden Alben A Night in the Ruts (1979) und Rock in a Hard Place (1982) klingen. Auch wenn Done with Mirrors (1985) nach der Rückkehr der beiden Ursprungsmitglieder und dem Drogenentzug Steven Tylers besser klingt, scheint die große Zeit der Band vorbei. Ein Glück, dass es Rick Rubin gibt.

Der legendäre Musikproduzent ist ein großer Aerosmith-Fan. Schaut man sich seine Vita an (er produziert später für Bands wie Metallica, Slayer, System Of A Down und Slipknot), dann ist es eher verwunderlich, dass er 1985 das neue Run-DMC-Album Raising Hell produziert. Er schlägt den Rappern vor, dass sie Aerosmith kontaktieren sollen, um ein Cover von Walk This Way aufzunehmen. Joe Perry nimmt sofort an, Run-DMC, Perry und Steven Tyler treffen sich im Studio. Doch beide Seiten haben keine Zeit. Die Aerosmith-Jungs müssen ihr Flugzeug zum nächsten Gig erreichen, Run-DMC hat ein noch wichtigeres Anliegen: Sie müssen ihren Mietwagen zurückbringen, bevor die Annahme für diesen Tag schließt. Als sich die Wege trennen weiß keine der Parteien, welches Meisterwerk sie geschaffen haben. Im Gegenteil: Run-DMC sind sich nicht einmal sicher, ob es der Song auf das Album schaffen wird.

Walk This Way wird zu einem der ersten Crossover-Songs dieser Genres. An mehreren Stellen sorgt er für eine Revolution. Run-DMC werden auch außerhalb des Hip-Hops bekannt. Das Video zu ihrem Song Rock Box wird als erstes Rapvideo beim Musiksender MTV ausgestrahlt. Außerdem erreichen sie als erste Rapper eine Grammy-Nominierung (für Walk This Way). Der Song und das Album Raising Hell gehen durch die Decke und sorgen dafür, dass Hip-Hop seinen Weg in die Öffentlichkeit findet. Die Musik, die früher meist nur in Queens oder der Bronx gehört wird, läuft plötzlich in Clubs.

Und Aerosmith? Die nehmen die Aufmerksamkeit gerne mit, die ihnen die Rapper verschaffen. Das Album Permanent Vacation wird weltweit ein großer Erfolg. 1998 schreiben sie mit I Don’t Want to Miss a Thing für Armageddon einen der legendärsten Filmsoundtracks aller Zeiten.

Dass Aerosmith eine der langfristig erfolgreichsten Rock-Bands der USA ist, verdanken sie also Run-DMC. Eines bleibt davon jedoch unberührt. Meins isses nich’.

In der Kolumne „Vinyl der Woche“ stellt der Trierische Volksfreund wöchentlich eine Schallplatte vor – von Neuerscheinungen, über besondere Alben bis hin zu Klassikern. Alle Serienteile finden Sie hier.

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