Vinyl der Woche: Run Rudolph Run – Chuck Berry Chuck-Berry-Weihnachten statt Corona-Weihnachten

Serie · Keine Lust auf Corona-Diskussionen an Weihnachten? Hier kommt die Lösung: Einfach Run Rudolph Run von Chuck Berry auflegen – damit erreichen Sie die ganze Familie.

 Run Rudolph Run von Chuck Berry

Run Rudolph Run von Chuck Berry

Foto: Chess Records

Es ist das zweite Corona-Weihnachten. Wir sind mittlerweile geübt darin, vor Begriffe das C-Wort zu setzen, damit jeder weiß: Es wird anders als sonst. Corona-Abijahrgang (dessen Abschluss genau so viel zählt wie vorher, viel Glück an der Stelle für die Prüfungen im Frühjahr). Corona-EM (erinnern Sie sich, im Sommer? Na gut, wir waren ja auch schnell raus). Und jetzt? Corona-Lebkuchen? Corona-Kartoffelsalat-mit-Würstchen? Corona-fragen-an-den-Enkel-wann-er-endlich-eine-Freundin-mitbringt? Klingt wenig erstrebenswert. Gut, dass Sie mich haben. Den Corona-Vinyl-Kolumnisten Ihres Vertrauens. Denn ich präsentiere Ihnen heute eine Möglichkeit, all dem zu entfliehen.

Stellen Sie sich vor: Die ganze Familie sitzt am Tisch. Die Platte ist geputzt, auch das letzte Bisschen Nachtisch schlummert in den Bäuchen. Oma packt den Eierlikör aus. Zwischen „Neee, ich heute nicht“, und „gib mir lieber was Stärkeres, nen Willi oder so!“ fallen die üblichen Corona-Stammtischparolen. „Ach, wie viele Impfungen brauchen wir noch?“, „Wir müssen endlich mit dem Virus leben lernen“, „Die Medien bauschen das doch alles auf“ und das allseits beliebte: „Ach, der Lauterbach...“

Einige sind wahr, andere absoluter Quatsch. Alle sind jedoch am Weihnachtstisch fehl am Platz, da leider auch dort keine Lösung herbeigeführt werden kann (außer Olaf Scholz, Karl Lauterbach, Lothar Wieler und Christian Drosten feiern zusammen, dann vielleicht). Noch schlimmer jedoch: Im Hintergrund läuft André Rieu.

Opa reicht’s. Rieu und Corona. Schrecklicke Kombination. Er steht auf. Kramt in der Schallplattenkiste. Hebt die Nadel an. Setzt den Rieu’schen Klängen ein Ende. Legt eine 12er-Single auf. Dreht die Musik etwas lauter. Klopft mit seinem Gehstock im Takt auf den Boden. Oma kippt den letzten Eierlikör. Wirft Opa einen Blick zu. „Das war unsere Jugend!“

Aus den Boxen ertönt Run Rudolph Run von Chuck Berry aus dem Jahr 1958. Mama und Papa sind dafür noch etwas jung, wippen aber mit den Füßen. Die großen Kinder denken zwar zunächst „Ach, wie uncool? Haben die nix von Capital Bra?“, lassen sich dann aber darauf ein. Und die Kleinsten, die springen auf und tanzen durch das Wohnzimmer. Und Corona? Die hat sich aus dem Raum verzogen – gegen Chuck Berry kann sie nicht ankommen.

Run Rudolph Run ist nicht das, was wir unter einem klassichen Weihnachtssong verstehen. Keine klingelnden Glocken, keine Liebesschwüre, kein Zu-Weihnachten-nach-Hause-fahren. Es ist ein erstklassiger Song mit unmittelbaren Verbindungen zum Fest der Liebe. Und ein Rekordbrecher ist er auch, der Rudolph.

Denn nie verging bei einem Song eine so lange Zeit zwischen dem ersten Einstieg in die Charts und dem Erreichen der Top-Ten. Im Dezember 1958 wurde der Song veröffentlicht und stieg damals auf Platz 69 der US-Charts ein. 2019 fand er erneut den Weg in die Rangliste und erreichte Platz 45. Im Januar 2021 – 62 Jahre nach dem Chart-Debüt, sicherte er sich mit Platz zehn dann seinen Höhepunkt.

Der Grund ist ein animiertes Video zum Song, das 2020 erschien und den „Father of Rock ’n Roll“ gitarrespielend auf einem Schlitten zeigt, den Rudolph zieht. Und damit, wenn man es auf dem Smartphone abspielt und ihnen zeigt, hat man an Weihnachten endgültig auch die Kleinsten.

Und: Der Song läuft im Weihnachtsfilmklassiker Kevin – Allein in New York (die Szene, als die Familie am Flughafen versucht den Flieger zu kriegen und dabei Kevin vergisst).

Also, liebe Kolumne-Freunde: Machen wir aus dem Corona-Weihnachten doch ein Chuck-Berry-Weihnachten.

Frohes Fest!

In der Kolumne „Vinyl der Woche“ stellt der Trierische Volksfreund wöchentlich eine Schallplatte vor – von Neuerscheinungen, über besondere Alben bis hin zu Klassikern. Alle Serienteile finden Sie hier.

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