Vinyl der Woche: Whoosh! – Deep Purple ... und es hat „Whoosh!“ gemacht

Serie · Wer kann, der kann: Deep Purple beweisen mit ihrem neuen Album Whoosh!, dass sie auch jenseits der 65 noch zur Elite der Rockszene gehören. Dabei dachte man eigentlich schon, es wäre bald vorbei.

 Whoosh! von Deep Purple

Whoosh! von Deep Purple

Foto: Band

Zweieinhalb Jahre. 170 Shows. Europa, Nordamerika, Südamerika, Asien. Gastbands wie Europe, Alice Cooper und Judas Priest. Nein, wir sprechen nicht von einer Band, die sich gerade auf ihrem musikalischen Höhepunkt befindet und zum Start ihrer Karriere ein Mammutprogramm abliefert, um neue Fans zu gewinnen. Die Band, von der wir sprechen, hat das (eigentlich) nicht mehr nötig: Deep Purple kennt sowieso schon jeder. Und dennoch reisen die Legenden von 2017 bis 2019 auf ihrer „The Long Goodbye“-Tour durch die Welt. „Tschüß“? Schade, das war’s dann wohl ...

Denkste! Denn auch wenn die Abschiedstournee schon hinter ihnen liegt, veröffentlichen Deep Purple vergangene Woche ihr 21. Studioalbum Whoosh! – und strafen jeden Lügen, der behauptet, Männer jenseits der 65 könnten keine Rockstars mehr sein.

Gut, Whoosh! ist nicht unbedingt revolutionär. Das muss es aber auch nicht sein. Deep Purple bedient sich aus dem, was sie seit 52 Jahren Bandgeschichte auszeichnet. Dadurch entsteht ein Potpourri, ach was, ein Best-Of der Briten. Stetiger Wechsel zwischen langsamen Klängen und harten Riffs, dazwischen auch mal ein Ausflug in die Welt des Rock n Roll – aber feiner und musikalisch durchdachter als das, was sie als junge Burschen komponierten.

Und dennoch: Whoosh! schafft es, für Überraschungsmomente zu sorgen. Denn gerade wenn sich der Hörer auf die neue kompositorische Finesse eingestellt hat, wird er mit einer Abrissbirne aus dieser Welt herausgebrochen. The Long Way Round und What The What klingen wie Purple zu den härteren (und besten) Zeiten. So gelingt es den Briten, das beste aus verschiedenen Bandepochen zu kombinieren und ein Album zu schaffen, das man als eines der besseren der 21 Platten bezeichnen muss.

Musik strotzt heute nur so vor politischen Botschaften. Es ist kaum möglich, einfach nur zu Hören, man soll bitte auch denken und sich positionieren – so scheint es. Das ist auch grundsätzlich gut und richtig, denn wer eine Meinung hat, soll diese auch vertreten. Aber was, wenn sich innerhalb einer Band verschiedene politische Charaktere tummeln?

Dann entsteht ein Album wie Whoosh!, das sich eben nicht politisch positioniert. „Mit so vielen verschiedenen Charakteren in der Band wäre dies einfach unmöglich“, sagt Sänger Ian Gillan in einem Interview. Statt mit politischen Äußerungen glänzt Deep Purple mit einem musikalischen Statement gegenüber jungen Bands. Das, was die „alten Männer“ mit Whoosh! abgeliefert haben, müssen diese erst einmal toppen.

Und live? Naja ... das ist aktuell so eine Sache. Corona wegen. Auch Deep Purple musste die Tour zum Album verschieben. Bei ihnen noch verständlicher, immerhin ist das Nesthäkchen der Band, Steve Morse, auch schon 66. Die Risikogruppe lässt grüßen. Also, ab mit der Tour in den Herbst 2021. Von einem Namen, der auf einen Abschied hindeutet, ist ebenfalls keine Spur mehr: Die neue Tour heißt ganz trocken wie das Album selbst Whoosh!-Tour. Das war’s dann aber, oder? „Naja, wenn unser jetziges ‚Whoosh!’ heißt, müsste es dann ‚Splat!’ (Platsch) heißen“, sagt Gillan auf ein mögliches 22. Album angesprochen. „The Long Goodbye“ – bei Deep Purple ist es ein wirklich langer Abschied. Man kann sich nur wünschen, dass er noch einige Jahre andauert.

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