Vinyl der Woche: I Am Woman – Helen Reddy So essen Männer!

Serie · Mit ihrem Song für die Frauenrechtsbewegung schaffte es Helen Reddy vor 50 Jahren an die Spitze der Charts. Versaut wurde das Lied von einer Fast-Food-Kette.

 Helen Reddy - I Am Woman

Helen Reddy - I Am Woman

Foto: M. Pro

Ein Mann sitzt im Restaurant. Um ihn herum: Menschen in schicken Hemden. Der Kellner serviert ihm seinen Teller. Kaum erkennbar, was darauf ist. Auf jeden Fall ist es wenig, irgendwas Sterneküche-mäßiges. Der Mann blickt in die Kamera. „Ich bin ein Mann“, singt er – und geht in den kommenden Sekunden des Clips auf die andere Straßenseite zu einem Schnellrestaurant. Greift sich einen Burger, etliche andere Männer folgen ihm. Sie gehen auf die Straße, demonstrieren mit Schildern für ihr Anliegen: Sie sind Männer – Männer haben Hunger (und werden so lange essen, Zitat, „bis mein Inneres zu meinem Äußeren wird“).

Ich bin nicht zimperlich. Aber was Burger King damals in seiner Werbung für den Double Texas Whopper zeigt, würde heute nicht mehr gehen. „Iss‘ wie ein Mann“, ist der Slogan. Der Werbespot zeigt jede Menge Beispiele der „Männlichkeit“: Der eine zerschlägt einen Hohlblockstein, der andere zieht einen Truck. Klischee hoch zehn. Ich kann das alles nicht, will aber trotzdem ein Mann sein. Noch schlimmer: Burger King vergriff sich damals an einem besonderen Song: I Am Woman von Helen Reddy, die mit diesem vor 50 Jahren die erste in Australien geborene Person an der Spitze der US-Charts war.

Der Song, der durch Burger King ins Lächerliche gezogen wurde, hat eine wichtige Botschaft: Helen Reddy ist eine Frau, sie kann alles schaffen. Reddy war eine der ersten Musikerinnen, die sich derart deutlich für Frauenrechte einsetzten. Alles begann 1971. Helen Reddy suchte damals nach weiteren Songs für ihr erstes Album. Das sollten vor allem Songs sein, die ihre Beteiligung an der Frauenrechtsbewegung unterstrichen. I Am Woman tat das – gefiel aber weder Reddy noch ihrem Produzenten Larry Marks. Aber: Es fehlten Songs, also ab auf die Platte. Dadurch fiel er dem Filmproduzenten Mike Frankovitc auf, der den Song in seiner feministischen Komödie (deutscher Titel: „Jede Stimme zählt!“) verwendete.

Helen Reddy stimmte damals nur unter zwei Bedingungen zu, dass der Song verwendet werden darf: Sie will ihn neu aufnehmen – und Frankovitc soll jeweils 1000 Dollar an die Frauenhäuser in Chicago, New York und Los Angeles spenden. Gut, dass sich die beiden einigten, denn I Am Woman stieg auf Platz eins der US-Charts und wurde zum größten Erfolg in der Karriere von Helen Reddy, die 2020 starb. Bis heute ist der Song eines der Aushängeschilder der Frauenrechtsbewegung.

Burger King machte daraus einen Werbespot, unter dem bei Youtube noch heute fast ausschließlich lobende Kommentare gepostet werden. Von Männern, versteht sich. Christian Thome

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