Vinyl der Woche: All That She Wants – Ace Of Base Ab jetzt nimmt mich niemand mehr ernst
Serie · Der traut sich was, der Autor: Zuerst lässt er seine Leser zwei Wochen auf eine neue Kolumne warten, dann outet er sich als Liebhaber schrecklicher Songs. Nicht von „All That She Wants“ – aber fast so schlimm.
Es tut mir gleich doppelt leid, liebe Leser. Zunächst, weil ich Sie zwei Wochen habe hängen lassen. Keine Kolumne, pah. Bin ich entschuldigt, wenn ich sage, dass ich im Skiurlaub geweilt habe? Nennen Sie es Recherchereise im Auftrag der Kolumne. Denn: Wo hört man mehr Musik, an die man lange nicht gedacht hat, als beim Aprés Ski zwischen Jägermeister, Käsespätzle und Heizstrahlern? Anton aus Tirol, Knallrotes Gummiboot und Co. – jede Menge Lieder, die man hört (und mitsingt, Schande über mein Haupt), aber es niiiiiiiemals öffentlich zugeben würde, dass man sie gut findet. Neudeutsch nennt man das Guilty Pleasure, also so was wie ein schuldiges Vergnügen. Und so kommen wir zum zweiten Grund für eine Entschuldigung: Heute handelt die Kolumne von der Mutter aller Guilty Pleasures: All That She Wants von Ace of Base.
Keine Angst, wir gehen nicht zu sehr auf die Geschichte des Hits ein. Lohnt sich nicht. Kurz gesagt: Vor 30 Jahren stand das Ding auf Platz eins der deutschen Charts. Was zugegeben keine Kunst war, denn es schienen harte Zeiten zu sein für die Musik. Drei andere Guilty Pleasures aus dem Jahr 1993, die es an die Chartspitze schafften, gefällig? Would I Lie to You von Charles & Eddie, What’s Up? von 4 Non Blondes (okay, der geht sogar noch) und Informer von Snow (sagt Ihnen nichts? Vielleicht jetzt: Ein wichtiger Teil des Refrains war das lyrische Meisterwerk der Zeile „A licky boom boom dew“). Songs, die auf keiner 90er-Party fehlen dürfen – aber bitte erst ab 1,3 Promille.
Zur Wahrheit über Ace Of Base gehört jedoch auch der wahre Grund, wieso ich – sorry für die deutliche Sprache – keinen Bock habe, mich weiter mit den Charakteren dieser Band zu beschäftigen. Ulf „Buddha“ Ekberg, verantwortlich für Teile der Synthesizer-Klänge von Ace Of Base, war vor der Zeit als Guilty-Pleasure-Legende Mitglied der Band Commit Suicide. Diese hetzte mit offen rassistischen Texten gegen Einwanderer. Bilder aus dieser Zeit, den Achtzigern, zeigen Ekberg, wie er mit einem Hakenkreuz-Shirt bekleidet den Hitlergruß zeigt. Ekberg entschuldigte sich später. Was wäre ihm auch anders übrig geblieben?
Wie auch immer, genug von Ace of Base. Ich habe ein Angebot für Sie. Als Wiedergutmachung für die zweiwöchige Pause und die Auseinandersetzung mit All That She Wants nenne ich Ihnen fünf Titel aus meiner Guilty-Pleasure-Playlist. So erschreckend es klingen mag: Ich finde diese Titel wirklich, teilweise auf eine abstruse Art und Weise, gut. Keine Ahnung, wieso.
Los geht’s, mit dem Risiko, jegliche Glaubwürdigkeit als jemand zu verlieren, der ernsthaft über Musik schreibt: Genie in a Bottle von Christina Aguilera, Because of You von Kelly Clarkson, Livin‘ la Vida Loca von Ricky Martin, Whole Again von Atomic Kitten und I Don’t Feel Like Dancin‘ von den Scissor Sisters. Ach, und alles, was mit dem Soundtrack eines jeden High-School-Musical-Films zu tun hat. Waren also mehr als fünf. Ich denke, das reicht als Wiedergutmachung.
Wer traut sich, nachzuziehen? Was sind die Songs, die Sie mögen, es aber lieber verheimlichen? Schreiben Sie mir (c.thome@volksfreund.de). Ich behalte es für mich, wenn Sie wollen.
Und nein, Roland Kaiser ist kein Guilty Pleasure, der ist eine Legende.