Virtuos und filigran wie ein Glasbläser

Luxemburg · Lieder von Robert Schumann und die Erstaufführung eines Zyklus\' von Jörg Widmann haben im Mittelpunkt des Konzerts von Christian Gerhaher und Gerold Huber gestanden. Das Publikum feierte einen Abend der Superlative.

 Gestalten einen Abend der Superlative: Bariton Christian Gerhaher (rechts) und Pianist Gerold Huber. TV-Foto: Phlharmonie

Gestalten einen Abend der Superlative: Bariton Christian Gerhaher (rechts) und Pianist Gerold Huber. TV-Foto: Phlharmonie

Luxemburg. Man sollte mit dem Begriff Sternstunde sparsam umgehen. Aber das Erlebnis, das Christian Gerhaher und Gerold Huber dem atemlos lauschenden Publikum im Kammermusiksaal der Philharmonie bereiten, degradiert jede geringere Einstufung zur Untertreibung.
Auch in einem prall gefüllten Plattenschrank muss man lange suchen, um eine qualitativ annähernd vergleichbare Interpretation von Schumanns "Dichterliebe" zu finden. Fritz Wunderlichs Salzburger Live-Einspielung von 1965 vielleicht oder Gerard Souzays Aufnahme aus den 50er Jahren. Auch wenn man den Liederzyklus schon hundert Mal gehört hat: Gerhaher und Huber erfinden ihn in der Sekunde des Vortrags neu, so als entstünde das, was sie zu erzählen haben, gerade in diesem Moment.
Jedes Frage- und Ausrufezeichen wird hörbar, manchmal bricht der Text förmlich aus dem Sänger hervor, manchmal ringt er um die Worte - so glaubhaft, dass im Publikum mancher um seine Fassung ringt.
Sänger lebt die Lieder mit


Die große Kunst von Gerhaher besteht darin, dass er das schafft, ohne je auf einen billigen Affekt setzen zu müssen. Er übertreibt nicht, er akzentuiert. Er wechselt Tempo und Dynamik mit unfassbarer Leichtigkeit, lässt Figuren und Charaktere entstehen wie ein Glasbläser, der so virtuos wie filigran die Schmelzmasse modelliert. Wenn im Text die Liebe im Herzen aufgeht, dann hört man einen leuchtenden Sonnenaufgang mit, und wenn der Sänger beschwört "Ich grolle nicht", dann wird daraus das präzise Psychogramm eines Mannes, dem seine ganze Verletztheit am Ende explosionsartig um die Ohren fliegt. Die Faszination des Abends bliebe freilich unerklärlich, wäre da nicht die Symbiose mit dem Pianisten Gerold Huber. Nicht nur, dass er - gelegentlich hörbar - mitatmet und den Text stets auf den Lippen hat. Huber lebt die Lieder mit, kriecht in sie hinein, wirft sich mit Gerhaher wechselseitig die Bälle zu.
Seine Vor- und Nachspiele stehen in ihrer Intensität und Wichtigkeit den Gesangspassagen in Nichts nach. Hier sind nicht Sänger und Begleiter am Werk, sondern zwei Künstler auf absoluter Augenhöhe. Gingen da nicht zwei ganz Große zur Sache, wirkte der Abend fast schon überladen.
Drei weitere, kleine, aber der "Dichterliebe" nicht nachstehende Schumann-Zyklen sind eine ideale Ergänzung, sieben Chansons von Fauré ein schönes Apercu. Aber dann gibt es ja noch den neuen Zyklus "Das heiße Herz" von Jörg Widmann, zwei Tage zuvor in Wien uraufgeführt.
Fünf Lieder mit Liebeslyrik von Klabund bis Härtling, ein geglückter Versuch, zeitgenössische Tonsetzung mit singbaren Gesangslinien zu verbinden. Eine Repertoire-Auffrischung, die dem Liedgesang sicher nicht schadet.

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